Mein Sommer nebenan (German Edition)
– ich komme!
Ich erinnere mich sehr gut an ihr Essay, weil Nan sich richtig damit abgerackert hat, obwohl ich ihre Themenwahl ziemlich merkwürdig fand, schließlich hat sie Der Fänger im Roggen gehasst, als wir es in der Schule gelesen haben – »Der Typ ist doch total durchgeknallt und dass er alles ständig ›verfickt‹ und ›scheiße‹ findet, nervt echt«.
Super! , schreibe ich zurück. Zu mehr komme ich nicht, weil Mom mir das Handy wegnimmt, es zuklappt und in ihrer Tasche verschwinden lässt.
»Mary Mason hat mich heute wegen Tim angerufen, Samantha.« Sie nippt bedächtig an ihrem Wasser und sieht mich mit hochgezogenen Brauen an.
Das kann nichts Gutes bedeuten. Wegen Tim ist schon seit Längerem ein Synonym für »Katastrophe«.
»Sie hat mich gebeten, meine Beziehungen spielen zu lassen, um ihm einen Job als Rettungsschwimmer im B&T zu verschaffen. Offensichtlich lief es im Hot Dog Haven nicht besonders gut für ihn.«
Na klar. Wenn man es noch nicht mal auf die Reihe kriegt, Ketchup und Senf auf Würstchen zu schmieren, weil man zu bekifft ist, ist man auf jeden Fall besser befähigt stattdessen Leben zu retten.
»Da diesen Sommer der Lagoon-Pool eröffnet wird, wäre noch ein Rettungsschwimmer-Posten hier im Club frei. Was hältst du von der Idee, ihn ihm zu geben?«
Äh, gar nichts? Tim und Rettungsschwimmen, das ist eine alles andere als ideale Kombination. Ich weiß, dass er ein guter Schwimmer ist – er war im Schwimmteam, bevor er von der Schule flog –, aber …
»Samantha?«, hakt sie ungeduldig nach, während ich noch auf meiner Unterlippe herumkaue.
Wenn ich als Rettungsschwimmerin arbeite, lasse ich den Pool so gut wie nie aus den Augen. Mir wird ganz schlecht, wenn ich mir vorstelle, wie Tim mit auf Halbmast hängenden Lidern zusammengesunken auf einem Rettungsschwimmerhochsitz hocken würde. Aber ich kann ihr ja schlecht erzählen, wie es tatsächlich um ihn steht … »Ich weiß nicht, Mom. Er ist in letzter Zeit ein bisschen durch den Wind, und ich glaube nicht, dass …«
»Ich weiß.« Ihre Stimme hat immer noch diesen ungeduldigen Unterton. »Genau darum geht es ja, Samantha. Die Arbeit würde ihm guttun. Er müsste sich auf etwas konzentrieren und wäre jeden Tag in der Sonne und an der frischen Luft. Aber vor allem würde es sich gut auf seiner College-Bewerbung machen. Ich werde mich für ihn einsetzen.« Sie zückt ihr Handy und entlässt mich mit einem Nicken aus dem Gespräch.
»So …« Clay lächelt mich, Tracy und Flip an. »Ich hoffe, es stört euch nicht, wenn eure Mutter und ich uns noch ein bisschen über die Arbeit unterhalten.«
»Nur zu«, antwortet Tracy achselzuckend.
Das lässt Clay sich nicht zweimal sagen. »Ich habe mir den Typen, diesen Ben Christopher, gegen den du dieses Mal antrittst, mal etwas genauer angesehen, Grace. Und ich denke, du musst noch ein bisschen mehr an deiner Zugänglichkeit arbeiten.«
Zugänglichkeit? Ist das überhaupt ein Wort?
Mom runzelt die Stirn. Sie scheint ebenfalls nur die Hälfte verstanden zu haben.
»Ben Christopher«, fährt Clay fort, »wuchs in Bridgeport auf, kommt aus armen Verhältnissen, schaffte es mit einem Stipendium auf eine weiterführende Privatschule und baute aus eigener Kraft ein Unternehmen für Solarenergie auf, was ihm eine große Anhängerschaft unter den umweltbewussten Wählern verschafft.« Er hält inne, um Moms andere Brötchenhälfte mit Butter zu bestreichen. »Er ist das, was man einen Mann des Volkes nennt. Es könnte sein, dass du neben ihm ein bisschen steif und kühl wirkst, Darling.« Er beißt in das Brötchen und spricht kauend weiter. » Ich weiß natürlich, dass du das überhaupt nicht bist, aber …«
Großer Gott. Ich schaue zu Tracy rüber, weil ich mir sicher bin, dass sie von Clay genauso genervt ist wie ich, aber sie ist gerade damit beschäftigt, mit Flip Händchen zu halten.
»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?« Zwischen Moms Brauen taucht eine steile Falte auf. Ich habe noch nie erlebt, dass sie jemand anderen um einen Rat bittet. Sie bringt es ja kaum über sich, nach dem Weg zu fragen, wenn wir uns mal verfahren haben.
»Entspann dich.« Clay legt ihr eine Hand auf den Arm und drückt ihn lächelnd. »Wir zeigen ihnen die weiche Seite von Grace Reed.«
Klingt wie Werbung für ein Waschmittel.
Er greift in die Innentasche seines Jacketts, zieht einen Zettel heraus und hält ihn so, dass jeder von uns ihn sehen kann. Es ist einer von Moms alten
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