Mein Sommer nebenan (German Edition)
kopfschüttelnd abgewendet.
Mrs Garrett, die mit sich und ihrer chaotischen Familie jedoch offenbar völlig im Reinen war, ließ sich davon nicht stören. Als ich siebzehn wurde, waren es fünf Jungs und drei Mädchen.
Joel, Alice, Jase, Andy, Duff, Harry, George und Patsy.
Seit die Garretts vor zehn Jahren nebenan eingezogen waren, stieß Mom fast jedes Mal, wenn sie aus einem der dem Nachbarhaus zugewandten Fenster schaute, ein missbilligendes Seufzen aus. Zu viele Kinder auf dem Trampolin. Fahrräder, die achtlos mitten auf dem Rasen fallen gelassen worden waren. Schon wieder ein pinkfarbener oder blauer Luftballon, der am Briefkasten festgebunden fröhlich im Wind tanzte. Lärmende Basketballspiele. Laute Radiomusik, während Alice und ihre Freundinnen sich sonnten. Wasserschlachten mit dem Gartenschlauch, wenn die älteren Jungs in der Einfahrt den Wagen wuschen. Und wenn es nicht das war, dann war es Mrs Garrett, die auf den Stufen der Vorderveranda ihr neuestes Baby stillte oder vor aller Welt auf dem Schoß von Mr Garrett saß.
»So was gehört sich nicht«, sagte Mom.
»Es verstößt nicht gegen das Gesetz«, erwiderte darauf Tracy, die Anwältin werden wollte und neben Mom am Küchenfenster stand. Sie schleuderte ihre weißblonden Haare nach hinten. »Heutzutage ist es vollkommen legal, in der Öffentlichkeit zu stillen, erst recht auf seiner eigenen Veranda.«
»Aber wozu muss man überhaupt stillen, wenn es doch Muttermilchersatz und Fläschchen gibt? Und wenn man schon darauf besteht, kann man es doch wenigstens im Haus machen.«
»Sie passt dabei gleichzeitig auf ihre anderen Kinder auf, Mom. Das ist ihre Pflicht«, entgegnete ich bei solchen Gelegenheiten manchmal und stellte mich neben Tracy.
Darauf schüttelte Mom jedes Mal seufzend den Kopf und holte aus der Abstellkammer den Staubsauger, der für sie so eine Art Valiumersatz war. Das Schlaflied meiner Kindheit war das Geräusch der Düse, mit der Mom perfekt symmetrische Linien in unseren beigen Wohnzimmerteppich saugte. Die Linien schienen irgendwie wichtig für sie zu sein, so unerlässlich, dass sie sogar oft zu saugen begann, während Tracy und ich noch frühstückten, und uns anschließend langsam zur Tür folgte, wo wir unsere Jacken anzogen und die Rucksäcke über die Schulter hängten. Sie eliminierte unsere und ihre eigenen Fußspuren, bis wir draußen waren. Danach deponierte sie den Staubsauger für gewöhnlich in Türnähe, damit sie ihn sofort wieder zur Hand hatte, wenn sie abends von der Arbeit nach Hause kam.
Es war von Anfang an klar, dass wir nicht mit den Garretts spielen durften . Nachdem Mom ihre Pflicht getan und unseren neuen Nachbarn als Willkommensgeschenk eine große, selbst zubereitete Lasagne vorbeigebracht hatte, machte sie aus ihrer Abneigung keinen Hehl mehr. Mrs Garretts lächelnde Grüße quittierte sie mit einem kühlen Nicken. Mr Garretts freundliche Angebote, den Rasen zu mähen, das Laub zusammenzufegen oder Schnee zu schippen, lehnte sie mit einem knappen »Dafür lassen wir jemanden kommen, danke trotzdem« ab.
Irgendwann gaben die Garretts ihre Versuche auf, Kontakt mit uns aufzunehmen.
Und obwohl sie unsere Nachbarn waren und immer mal wieder eines ihrer Kinder mit dem Fahrrad vorbeifuhr, wenn ich gerade Moms Blumen wässerte, war es nicht schwer, ihnen aus dem Weg zu gehen. Sie gingen auf staatliche Schulen. Tracy und ich auf die Hodges Academy, die einzige Privatschule in unserer kleinen Stadt in Connecticut.
Allerdings gab es etwas, von dem meine Mutter nichts wusste und von dem sie absolut nichts gehalten hätte. Ich beobachtete die Garretts heimlich. Wann immer ich konnte.
Das Fenster in meinem Zimmer führt auf einen kleinen, von einer niedrigen Brüstung eingefassten Dachvorsprung hinaus, der zwischen zwei spitzen Giebeln liegt. Er ist sowohl vom vorderen als auch vom hinteren Teil des Gartens abgeschirmt und erlaubt einen perfekten Blick auf die rechte Seite des Nachbarhauses. Schon bevor die Garretts dort eingezogen waren, war das mein Lieblingsplatz gewesen, um in Ruhe nachzudenken. Aber danach saß ich dort, um zu träumen.
Wenn meine Mutter glaubte, ich würde im Bett liegen, kletterte ich hinaus und sah durch die erleuchteten Fenster zu, wie Mrs Garrett das Geschirr spülte, während eines der jüngeren Kinder neben ihr auf der Küchentheke saß, wie Mr Garrett mit den älteren Jungs im Wohnzimmer herumbalgte, oder wie einer von ihnen das Baby zu Bett brachte und ihm dabei
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