Mein Sommer nebenan (German Edition)
an sich. »Wir können Georges Vorschlag in die Tat umsetzen. Du kannst in mein Zimmer ziehen und in meinem Bett schlafen. Ich fand schon damals, als er es gesagt hat, dass das eine fantastische Idee ist.«
»George hat nur das Zimmer erwähnt, nicht das Bett.«
»Das stimmt nicht. Er hat gesagt, dass ich nie ins Bett pinkle. Quasi als Anreiz.«
»Es soll Menschen geben, die saubere Laken als Selbstverständlichkeit betrachten. Gibt es vielleicht noch mehr Anreize?«
»Mal sehen, was sich machen lässt.« Jase grinst.
»Sailor Moon!«, ruft George durchs Fliegengitter. »Ich kriege einen kleinen Bruder! Oder eine kleine Schwester, aber ich will lieber einen Bruder. Wir haben sogar schon ein Foto. Komm schnell gucken!«
Ich drehe mich zu Jase um. »Dann hattest du also recht mit deinem Verdacht?«
»Alice hat es mit ihrer Ninja-Krankenschwester-Taktik aus Mom herausgepresst. Ein bisschen so wie Tim mit dir, schätze ich.«
George kommt zur Tür gelaufen und presst einen Ausdruck gegen das Fliegengitter. »Schau, Sailor Moon. Das ist mein kleiner Bruder. Er sieht jetzt noch ein bisschen wie eine Gewitterwolke aus, aber Mommy hat gesagt, dass das normal ist und dass Babys am Anfang immer so aussehen.«
»Geh mal ein paar Schritte zurück, Kumpel.« Jase drückt die Tür weit genug auf, dass wir gemeinsam hindurchtreten können.
Ich habe Joel schon eine Weile nicht mehr gesehen. Letztes Mal hat er den Coolen gespielt, jetzt schleicht er nervös durch die Küche. Alice macht Pfannkuchen und die jüngeren Kinder sitzen um den Tisch und beobachten jede ihrer Bewegungen so gespannt, als würden sie den Kinderkanal schauen.
Als wir reinkommen, fragt Joel gerade: »Wieso hat Dad dieses Ding in seiner Luftröhre? Mit der Atmung hatte er doch eigentlich keine Probleme. Geht es ihm wieder schlechter?«
Alice lässt einen unförmigen, ziemlich dunkel geratenen Pfannkuchen auf einen Teller gleiten. »Die Schwestern haben uns doch alles erklärt.«
»In Fachchinesisch. Kannst du es mir vielleicht bitte übersetzen, Al?«
»Das liegt alles an der Thrombose … an dem Blutgerinnsel in seinem Bein. Deswegen haben sie ihm diese aufblasbaren Stiefel angezogen, weil sie ihm im Moment keine Antikoagulanzien geben können …«
»Anti… was?«, fragt Joel.
»Medikamente, die das Blut verdünnen. Wegen der Kopfverletzung können sie die ihm nicht geben. Sie haben ihm diese Stiefel angezogen, aber irgendjemand hat nicht darauf geachtet oder nicht bemerkt, dass der Druck alle zwei Stunden kontrolliert werden muss und dadurch hat sich ein Druckgeschwür gebildet, das sich entzündet hat …«
»Können wir jemanden dafür verklagen?«, fragt Joel wütend. »Er konnte doch schon wieder sprechen und war auf dem Weg der Besserung, und jetzt geht es ihm schlechter denn je.«
Alice lässt den nächsten verbrannten Pfannkuchen aus der Pfanne gleiten und fügt ein bisschen Butter hinzu. »Wir sollten froh sein, dass es ihnen rechtzeitig aufgefallen ist, Joel.« Sie sieht auf und scheint zum ersten Mal wahrzunehmen, dass ich neben Jase stehe.
»Was willst du denn schon wieder hier?«
»Sie gehört hierher«, sagt Jase fest. »Lass gut sein, Alice.«
Andy fängt an zu weinen. »Er sieht gar nicht mehr wie Dad aus.«
»Er sieht wohl noch wie Dad aus«, protestiert George und reicht mir den Computerausdruck. »Hier, das ist unser Baby.«
»Es ist sehr süß«, sage ich zu ihm, während ich mir mit zusammengekniffenen Augen das Ultraschallbild anschaue, das tatsächlich wie ein Hurrikan vor den Bahamas aussieht.
»Dad ist total dünn geworden«, sagt Andy mit belegter Stimme. »Er riecht nach Krankenhaus. Ich hab jedes Mal Angst, ihn anzusehen. Es ist, als wäre er plötzlich ein alter Mann geworden. Ich will keinen alten Mann zum Vater. Ich will meinen Daddy zurück.«
Jase zwinkert ihr zu. »Er muss nur ein bisschen mit Alice’ Pfannkuchen gemästet werden, Ands. Dann ist er bald wieder der Alte.«
»Alice macht die miesesten Pfannkuchen der Menschheitsgeschichte«, schnaubt Joel. »Die kann man glatt als Untersetzer verwenden.«
» Ich mache euch wenigstens was zu essen«, fährt Alice ihn an. »Und du? Du bist die ganze Zeit nur am Rummeckern! Bist du neuerdings vielleicht unter die Restaurantkritiker gegangen? Hättest dich ja vielleicht mal selbst um irgendwas kümmern können, Vollidiot.«
Jase sieht sich mit zusammengezogenen Brauen in der Runde seiner Geschwister um, bevor er wieder mich ansieht. Ich verstehe, dass er
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