Mein spanisches Dorf
Da ist die Mutti aber mitgefahren und hat zugeschaut bei der Schulung, und der Voitl ist so ein Grobian, da hat die Mutti den Burschi sofort wieder nach Hause geholt. Dann hat der Papa noch probiert, ob man den Burschi einfach so auf die Jagd mitnehmen kann, weil er ja ein geborener Jagd- und Vorstehhund ist und weil er vielleicht gar keine Dressur braucht, wenn in dem Stammbaum lauter hochgezüchtete und hochdressierte Jagdhunde waren, weil das ja irgendwie durch Mutation weitergegeben worden sein könnte. Aber dem Burschi war es auf der Jagd zu kalt, und er hat sich mit den Hinterpfoten auf die Stiefel vom Papa gestellt und die Vorderpfoten unter die Jacke vom Papa gesteckt, und der Papa hat gesagt, mit diesem Viech macht man sich nur lächerlich. Seither war der Burschi nie mehr auf einer Jagd. Er schläft bei der Großmutter im Bett, und am Tag liegt er im Biedermeiersessel im Vorzimmer. Aber es geht abwärts mit ihm, weil er schon alt und kränklich wird. Man muß ihn recht schön bitten, damit er spazierengeht. Beim Essen muß man ihm auch recht schön zureden, damit er etwas zu sich nimmt. Nur wenn ihn der Papa im Auto mitnimmt, ausnahmsweise, dann freut er sich noch ein bißchen und stubst mit der Schnauze ans Fenster. Dann kurbelt der Papa die Scheibe herunter, und der Burschi hält seinen Kopf in den Wind, daß die Ohren flattern, und er hat die Augen zu und denkt sich etwas Schönes. Vielleicht, daß er fliegt.
Die Lisi hat fünf Großväter
Von ihrem Vater hat sie einen, aber von ihrer Mutter vier. Der erste ist schon gestorben, der zweite lebt in Linz, aber er ist ihr Stiefgroßvater, weil er der Stiefvater von ihrer Mutter war. Weil die Mutter von ihrer Mutter und vom anderen Stiefvater weggegeben worden ist, weil nämlich ihre Mutter nur das Kind von der Mutter war, aber nicht von ihrer Mutter ihrem Mann. Der dritte ist der Vater von ihrer Mutter, der hat sich in die Mutter von ihrer Mutter verliebt, wie der Mann von ihrer Mutter ihrer Mutter im Krieg war, und wie der Mann von ihrer Mutter ihrer Mutter aus dem Krieg zurückgekommen ist, hat er der Lisi ihre Mutter im Wickelpolster gesehen und gesagt, das Kind muß weg, dann bleibt er da. So ist der Lisi ihre Mutter zu Stiefeltern gekommen, und dort haben sie sie viel geschlagen, und jedes Jahr zu Weihnachten hat ihr die Stiefmutter die Puppe vier Wochen vorher weggenommen und sie ihr am Heiligen Abend wieder unter den Christbaum gesetzt, dazu ein Sackerl Erdnüsse. Dann ist der Lisi ihre Mutter draufgekommen, daß das nicht ihre richtigen Eltern sind, und mit sechzehn hat sie die richtige Mutter gefunden in Urfahr in einem Haus am Donauufer, und die Mutter hat sie im Stiegenhaus gleich erkannt wegen der Ähnlichkeit mit ihren voll ehelichen Töchtern und hat sie bei sich aufgenommen, und so hat die Mutter dort drei halbe Schwestern gehabt und ein richtiges Zuhause, bis der Stiefvater von seiner Reise zurückgekommen ist, und der Lisi ihre Mutter ist wieder zu den Stiefeltern gegangen. Auch, weil die Stiefmutter sehr geweint hat. Aber eines Tages hat die Stiefmutter das Küchenmesser geschliffen und gesagt, sie ersticht sie. Da ist der Lisi ihre Mutter geflüchtet zum Arbeitsdienst. Das war die schönste Zeit in ihrem Leben. Sie hat aus Mein Kampf abends vorlesen dürfen und edle Gedichte. Bis sie dann den arischen Nachweis gebraucht hat. Da hat sie sich die schmucke Arbeitsmaidentracht angezogen und ist nach Wien gefahren, damit sie die Papiere zusammenbekommt. Aber die alte Mutter von der Lisi ihrer Mutter ihrem richtigen Vater hat Esther Seligmann geheißen, und wie sie der Lisi ihre Mutter gesehen hat, hat sie geschrien: Gehen Sie, gehen Sie, mein Sohn hat keine Tochter! Da hat sich der Lisi ihre Mutter ein bißchen ausgekannt, und auf dem Reichssippenamt in Berlin haben sie ihr den Kopf abgemessen und von allen Seiten fotografiert, und in ihrem Abstammungsbescheid ist gestanden: Jüdischer Mischling mit einem volljüdischen Großelternteil. Aber weil sie so ein treuer Nazi war und viele treue Nazifreunde gehabt hat, ist ihr nichts passiert. Und nach dem Krieg hat sie den Herrn Leitner geheiratet, der auch ein treuer Nazi war, und sie haben sich recht gut verstanden. Aber das mit dem richtigen Vater hat ihr keine Ruhe gelassen, und sie hat ihn gefunden durch das Rote Kreuz und sich mit ihm getroffen. Mein Gott, die Hedwig, hat er immer wieder gesagt in Erinnerung an seine Geliebte, weil der Lisi ihre Mutter ihrer Mutter so ähnlich gesehen
Weitere Kostenlose Bücher