Mein Tag ist deine Nacht
Schultern. »Noch einmal passiert so etwas doch nicht. Es gewittert ja nicht, es regnet nur.«
Ich drückte ihn an mich, bis er aufgehört hatte zu schluchzen, dann wischte ich ihm sein verschmiertes Gesicht mit einem Papiertaschentuch ab. »Mir wird nichts passieren, großes Ehrenwort. Komm und schau aus dem Fenster. Siehst du? Nur große Regentropfen, kein Donner, kein Blitz. Keine Gefahr.«
Den Mund zu einem zweifelnden Flunsch verzogen, sah er mich an. Dann steckte Sophie den Kopf herein und rief: »Wenn wir jetzt nicht fahren, kommen wir endgültig zu spät.«
»Wir kommen, Sophie«. Ich stand auf und zauste Teddy das Haar. »Ist denn jetzt alles in Ordnung?«
Er nickte zögernd und umklammerte auf dem Weg zum Auto meine Hand.
»Siehst du, Teddy, wir müssen nicht mal rausgehen.«
Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass alle Kinder angeschnallt waren, fuhr ich mit einem Seufzer in den grauen Morgen. Wie Karen prophezeit hatte, bedeuteten unsere späte Abfahrt und das Wetter, dass der Verkehr doppelt so stark war als sonst. Nie im Leben war ich um neun zurück, und Dan würde sich Sorgen machen, dass ich so lange schlief. Ich hoffte bei Gott, er würde mich in Ruhe lassen.
[home]
18
D an saß auf einem Sessel und beobachtete mich, als ich um halb zehn in seinem Bett wieder erwachte. Ich hatte mich zwei Stunden vorher unter dem Vorwand, kurz ausruhen zu müssen, hingelegt. Wie vorauszusehen war, hatte Teddy sogar noch verzweifelter geweint, als ich ihn im Kindergarten zurückgelassen hatte. Erst als ich ihm versprach, er dürfe ihn nach den Weihnachtsferien verlassen und in eine nahebei gelegene, tolle Schule gehen, hörte er auf, sich an mich zu klammern.
Auf dem Rückweg war es auf den Straßen nur sehr langsam vorangegangen, und das einzig Gute war, dass Jason aufgrund des Regens anscheinend zu Hause geblieben war. Sobald ich daheim war, stürmte ich trotz der sintflutartigen Regenfälle in den Garten, um die Tiere zu füttern. Wenn ich pünktlich einschlafen wollte, musste ich mich beeilen.
Als ich dann keuchend dalag, das Haar nass vom Regen, und mein Herz von der Herumhetzerei hämmerte, dachte ich einen schrecklichen Augenblick lang, ich würde nicht in den Schlaf finden können. Doch die Fähigkeit, vom einen Körper in den anderen zu wechseln, besaß ich noch immer, und es dauerte nicht lange, da döste ich ein.
»Jessica?«, meinte Dan, als ich mich rührte. »Du hast lange geschlafen. Ich glaubte schon, du würdest hier übernachten.«
»Tut mir leid, Dan.« Ich setzte mich auf. »Ich muss erschöpfter gewesen sein als gedacht.«
Ich stand auf, ging zum Handspiegel, den er auf dem Fensterbrett stehen hatte und richtete mein Haar. Als ich aufsah, beobachtete er mich noch immer.
»Möchtest du mir nicht sagen, was los ist?«
»Wie meinst du das?«
»Mit dir stimmt doch etwas nicht, oder? Der Schwächeanfall neulich in der Kanzlei, der Kollaps, als ich bei dir in der Wohnung war. Dein Bedürfnis, so tief zu schlafen. Was ist es, Jessica?«
Ich spürte, wie mir unter seinem prüfenden Blick heiß wurde.
»Es ist nichts, nur eine Restmüdigkeit von dem Blitz-schlag.«
Er kam, trat hinter mich und zog mich am Arm zu sich herum.
»Ist das die ganze Wahrheit?«
Ich versuchte, seinem Blick auszuweichen, aber er umfasste mein Gesicht und sah mir direkt in die Augen.
»Jessica, sag mir alles … bitte!«
»Es tut mir so leid, Dan«, stammelte ich. »Ich liebe dich, und ich möchte dich nicht verlieren.«
»Erzähl’s mir!«
»Ich … ich kann nicht.«
Er ließ die Hände fallen und ging auf die andere Seite des Zimmers. Seine Frustration war ihm bei jeder Bewegung anzumerken, aber ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Er kam zu mir zurück und versuchte es erneut.
»Sag’s mir, Jessica. Nichts kann schlimmer sein als das, was ich mir vorstelle.«
»Es war der Blitzschlag«, flüsterte ich heiser. »Er … er hat etwas in mir verändert.«
»Was denn?«, rief er. »Das hast du schon mal gesagt. Meinst du diese Anfälle, die du hattest? Ist es etwas, das … nicht behandelt werden kann?«
Ich drehte mich um und blickte aus dem Fenster in die dunkle Nacht hinaus. Ich spürte, dass er hinter mir stand, aber er berührte mich nicht.
»Ich habe dich mal gefragt, ob du an ein Leben nach dem Tod glaubst«, sagte ich leise. »Ich habe dich gefragt, ob du dächtest, dass du eine Seele erkennen würdest, selbst wenn sie in einem dir unbekannten Körper steckt.«
»Was redest du
Weitere Kostenlose Bücher