Mein Tag ist deine Nacht
zusammen vier. Ihre Mama erlaubt ihr, sich die Nägel mit Glitzerlack zu lackieren, und sie hat neue Schuhe gekriegt!«
»Deine Schuhe kommen mir eigentlich auch ziemlich neu vor. Wie lange hast du sie schon?«
»Seit den letzten Ferien. Aber solche trägt man nicht mehr. Jetzt sind solche wie die von Alice angesagt.«
»Aber die Sommerferien sind doch gerade mal sechs Wochen her«, erinnerte ich sie. »Und in der Schule könntest du solche gar nicht anziehen. Deshalb schlage ich vor, in den Weihnachtsferien gehen wir normale Schuhe kaufen, und wenn du irgendwelche besonderen entdeckst, bekommst du die zu Weihnachten.«
»Aber bis dahin ist es ja noch eine Ewigkeit hin! Wieso muss Alice dann nicht bis Weihnachten warten?«
»Vermutlich hat sie ihre zum Geburtstag bekommen.«
»Hat sie nicht!«
»Ich gehe heute Nachmittag in die Stadt und bringe dir aus dem Schuhladen einen Katalog mit. Den kannst du dir dann ansehen und dir aussuchen, welche du gern hättest, wenn’s so weit ist. Das ist mein letztes Angebot.«
Sophie zog einen Flunsch, gab aber Ruhe.
Ich winkte Karen in die Küche und fragte sie, ob es ihr etwas ausmache, auf die Kinder aufzupassen, während ich unterwegs war.
Karen beäugte mich misstrauisch. »Du fährst doch wohl nicht nur weg, um einen Schuhkatalog zu besorgen, oder? Kann das nicht warten? Ich wollte heute Vormittag wirklich mit dir sprechen, und jetzt ist es schon fast zwölf. Nach deinen gestrigen Enthüllungen habe ich die ganze Nacht kein Auge zugetan!«
Ich machte mich daran, einen Kaffee aufzusetzen, um mir die Antwort zu überlegen. Nachdem ich zuvor so schnell aus dem Bett hatte springen müssen, hatte ich noch gar nichts getrunken.
Ich senkte die Stimme, damit man uns nicht belauschen konnte. »Ehrlich gesagt, will ich nach Epsom fahren, um zu sehen, was passiert, wenn ich bei Jessicas Wohnung auftauche.«
»Verdammt, Lauren, hältst du das wirklich für eine gute Idee?«, rief sie. »Wie soll das gehen? Ich meine, angenommen, du stehst ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüber?«
»Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Ich kann nur Lauren oder Jessica sein, nicht beide gleichzeitig.«
Sichtlich beunruhigt, ergriff Karen die Tasse, die ich ihr reichte, trank einen großen Schluck und spuckte die Hälfte davon wieder aus.
»Huch, ist der heiß!«
Ich nippte vorsichtiger an meinem Kaffee und schaute zu, wie Karen die Arbeitsfläche sauber wischte.
»Ich will einfach mal wissen, ob Jessica und ich wirklich beide real sind«, flüsterte ich. »Ich weiß, das klingt seltsam, aber, wenn das hier doch einfach ein Traum
ist,
den ich habe?«
»Vielleicht gibt es ja auch zwei alternierende Universen oder so was, und Jessica bewohnt nicht mal denselben Planeten wie Lauren?«, warf Karen grimmig ein.
Ich dachte, sie mache sich über mich lustig, doch sie zog eine Augenbraue hoch, und ich begriff, dass ihre »aufgeschlossene Gesinnung« über Nacht gearbeitet hatte.
»Sag so was nicht!«, zischte ich. »Allein bei dem Gedanken kriegt man schon eine Gänsehaut.«
»Ich möchte genauso sehr wissen, was da abläuft, wie du«, sagte sie. »Kann ich nicht mitkommen?«
»Ich muss erst mal allein hin. Der Zeitunterschied ist das Problem. Ich möchte dich nicht in Gefahr bringen, und außerdem brauche ich dich zum Kinderhüten.«
»Das ist doch Wahnsinn«, murmelte Karen und rieb sich das Gesicht. »Bitte sag mir, dass ich mir das alles nur einbilde.«
»Gut, du bildest dir alles nur ein. Ich erledige bloß ein paar Einkäufe und bringe Sophie ein paar Prospekte mit. Besser so?«
Sie sah mich besorgt an.
»Was, wenn du zwischen den beiden Zeiten oder Orten steckenbleibst? Was wird aus Grant und den Kindern, wenn du nicht wieder zurückkommst?«
Ich spürte, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich. Daran hatte ich nicht gedacht.
»Ich passe schon auf. Ich werde bei Jessica nichts ändern, das Auswirkungen auf Lauren haben könnte.«
»Aber das kannst du doch zuvor gar nicht wissen! Du hast nicht die geringste Ahnung, in was du dich da hineinmanövrierst.« Sie drückte meinen Arm. »Bitte, Lauren. Solltest du recht haben, dann habe ich bereits eine Schwester verloren. Dich will ich nicht auch noch verlieren!«
»Ich kann nicht Laurens Leben führen, wenn ich nicht weiß, ob es einen Weg zurück gibt. Ich muss fahren, Karen. Ich muss einfach. Ich schaue nur, okay?«
»Ich finde dich selbstsüchtig.« Karen ließ die Hand fallen und musterte mich wütend. »Vielleicht bist du
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