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Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Titel: Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lira Bajramaj
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für unsere »Reise« in die Freiheit. Aus heutiger Sicht aber muss ich diesen Leuten, die wir nicht kannten und nie wieder gesehen haben, echt ein Kompliment aussprechen: Das war alles toll organisiert. Ohne sie hätten wir es nicht geschafft. Doch die Flucht hat uns auch viel gekostet. Auch wenn Papa sich heute nicht mehr an die Summe erinnern kann, so spricht er doch stets von »einer Menge Geld«, die er in unsere Flucht investiert hat. Es waren unsere letzten finanziellen Reserven plus die Zuschüsse unserer Verwandtschaft. Auch wenn wir es ihnen nicht direkt gesagt hatten, so wussten sie doch damals kurz vor unserer Abreise genau, für was wir das Geld benötigten.

    In Rumänien waren dann wirklich kein Krümel und kein Tropfen mehr von unserem Proviant übrig. Baby Flakron schrie wieder wie am Spieß. Es gelang Papa, den Busfahrer zu einem kurzen Halt zu bewegen. Der Fahrer war durch Flakrons Schreie genervt und hoffte auf Besserung. In einem winzigen Dorf organisierte mein Vater dann ein paar Scheiben trockenes Brot für Fatos und mich. Zudem überredete er eine Bewohnerin so lange, bis sie sich erbarmte und ein bisschen Milchpulver herausrückte. Wasser gab es am Dorfbrunnen. Danach setzten wir unsere Busreise fort, Flakron beruhigte sich zum Glück wieder. So haben wir uns auf dieser Fahrt über Wasser gehalten.
    Das erste Mal so richtig heikel wurde es an der Grenze zwischen Rumänien und Ungarn. Sie galt als eine der großen Hürden auf unserer Flucht. Man hatte uns im Kosovo immer gesagt: Wenn ihr diese Grenze passiert habt, dann seid ihr so gut wie gerettet. Dann könnten wir erst mal aufatmen. In Ungarn sei man relativ sicher. Doch es sollte noch einiges auf uns warten. Wir konnten aus Rumänien kommend nicht über Schleichwege die Landesgrenze passieren, die Grenzlinien waren durchweg abgesperrt. Man wusste, dass Flüchtlinge unterwegs waren – und die wollte man nicht rauslassen. Deshalb mussten wir auch hier den normalen, offiziellen Weg nehmen. An der Grenze standen wir in einer langen Autoschlange. Wir waren schrecklich nervös und mussten auch noch ewig warten. Dann bekamen wir mit, wie die ungarischen Zöllner mehrere Personen aus den Bussen vor uns aussteigen ließen und zurückwiesen. Sie durften nicht über die rettende Grenze. Als wir langsam mit unserem Bus ein Stück vorwärts fuhren, sahen wir sie am Straßenrand sitzen. Sie sahen so verzweifelt aus, das werde ich nie vergessen. Was aus diesen Menschen geworden ist, wissen wir nicht.
    Dann waren wir an der Reihe: Auch unseren Bus haben sie kontrolliert. Beamte durchforsteten das Fahrzeug. Wir hatten nur unseren jugoslawischen Pass. Und wenn eine Familie mit drei kleinen Kindern und nur dem nötigsten Gepäck einreisen
will, dann kapiert auch der naivste Grenzbeamte, dass es sich wohl hier nicht unbedingt um eine Urlaubsreise nach Ungarn handelt. Flüchtlinge nimmt kein Land der Welt gerne mit offenen Armen auf. Ich war mir mit meinen fünf Jahren der brisanten Lage damals noch nicht so bewusst, aber diese Grenzer in ihren Uniformen flößten mir eine Heidenangst ein. Mama zitterte am ganzen Leib und Klein-Flakron schrie wieder wie am Spieß. Doch wir durften im Bus sitzen bleiben. Meine Familie und ich fragen uns bis heute, wie das wohl gelaufen ist. Aus welchem Grund durften wir weiterfahren, andere aber nicht? Haben wir mehr bezahlt? Oder hatten sie einfach nur Mitleid? Jedenfalls sind wir wohl an verantwortungsvolle Schleuser geraten, die unser Geld auch wirklich in unsere Flucht investierten. In vielen Fällen lief es anders: Das Geld wurde genommen und die Flüchtlinge allein gelassen.
    Der Weg von Ungarn in die damalige Tschechoslowakei hielt zunächst wenig Spektakuläres bereit. Die Lage im Bus entspannte sich etwas, die Leute atmeten ein wenig auf. Wir waren weit weg von Serbien und dem restlichen Jugoslawien, das war beruhigend. Angeblich hatten wir ja das Schlimmste schon hinter uns. Meine Eltern versuchten uns abzulenken, erzählten uns schöne Geschichten. Zum Glück schlauchte mich diese Reise enorm, ich schlief regelmäßig in den Bussen oder später in den Autos – wir mussten immer wieder mal umsteigen. Bei meinen Eltern war das anders. Mein Vater konnte kaum ein Auge zudrücken. Die Verantwortung lastete schwer auf ihm. Er musste seine Frau und drei Kinder in Sicherheit bringen, das ließ ihn kaum zur Ruhe kommen. Ich spürte damals seine Anspannung. Und auch Mama konnte derweil vor Angst kaum schlafen.
    Richtig

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