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Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Titel: Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lira Bajramaj
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es mir später mal erzählt – überrascht, dass ein weibliches Wesen so gut mit dem Ball umgehen konnte. Bis ihm dann plötzlich klar wurde, wer das war.
    Als ich ihn sah, fing ich an zu weinen, mein ganzer Körper zitterte. Ich war völlig fertig. An Fußball konnte ich in dieser Situation nicht mehr denken. Ich habe von Weitem schon Papas bösen Blick gesehen. Den hat er immer drauf, wenn er sauer ist. Dann durchdringen einen seine hellblauen Augen. Das ist ein ganz schlechtes Zeichen … Papa kam damals in der Pause auf mich zu und sagte nur: »Lira, du musst nicht weinen. Ich bin eben sehr traurig, weil du mich die ganze Zeit angelogen hast. Und jetzt mach weiter, ich schau mir jetzt dein Spiel und nicht mehr das von Flakron an.«
    Papa reagierte im besagten Moment echt cool, dafür nahm er mich hinterher zu Hause noch kräftig ins Gebet. Ich hatte es aber auch verdient, das war absolut in Ordnung. Ich hatte ihn belogen und enttäuscht – dafür gab es keine Entschuldigung. Papa hatte das von mir, seiner kleinen Lira, seinem Augapfel, nicht erwartet. Anlügen geht bei meinem Vater gar nicht. Er ist ein grundehrlicher Mensch. Er und meine Mama haben uns Kinder auch so erzogen. Papa war also fassungslos. Ich kam mir richtig schäbig vor und dachte nur: »Mensch, Lira, wie konntest du so etwas hinter dem Rücken deines Vaters tun?«
    Ich bat Papa damals um Verzeihung und musste ihm schwören, dass ich ihn nie wieder anlügen würde. Er hat angenommen. Der Abschluss unseres Gespräches war dann versöhnlich. Mein Vater, der früher selbst Fußball gespielt hatte und ein beinharter Verteidiger war, lobte mich sogar: »Wenn ich gewusst hätte, welches Talent in dir steckt, hätte ich dich
natürlich spielen lassen.« Na toll, war mein erster Gedanke. Papa hätte mir und all den Menschen, die mich in meinen sportlichen Bestrebungen unterstützten, ja einfach mal glauben können.
    Mein Vater fand ab diesem Zeitpunkt stetig mehr Freude an meinen Fußballkünsten. Er war überrascht, wie gut ich schon kickte. Tja, es lagen ja auch schon ein paar Jahre geheimes Trainingslager hinter mir … Papa erlaubte mir sogar, mit meiner Cousine Mimi in einer Mannschaft zu spielen. So spielte ich ab dem elften Lebensjahr beim FSC Mönchengladbach erstmals mit anderen Mädchen zusammen. Klar nahm ich regelmäßig den Bus zum Training. Wenn Papa aber Zeit mitbrachte, ließ er es sich nicht nehmen, mich zum Sportplatz zu kutschieren. Dann fuhr er mich mit unserem Auto zum Training, und wenn er zur Arbeit musste, fuhr ich allein mit dem Bus hin. Manchmal war Papa der Busfahrer, da setzte ich mich dann vorne hin und beobachtete ihn, wie er das alles so machte. Vom Training abgeholt wurde ich von Papa oder einem anderen Familienmitglied immer, abends ließen mich meine Eltern nie allein zurückfahren.
    Papa war jetzt Dauergast bei meinen Übungseinheiten und den Spielen. Er fieberte am Spielfeldrand mit, war aber nicht einer dieser Besserwisser-Väter, die den Trainer mit ihrem Verhalten in den Wahnsinn treiben. Papa war eher ein ruhiger Typ, der es aber ordentlich in sich hatte. Wenn ich in einem Spiel wusste, dass ich nicht gut drauf war, schaute ich heimlich zu Papa. Er hatte die Mundwinkel dann nach unten gezogen, und an seinen Augen konnte ich erkennen: Der ist sauer! Er setzte wieder seinen durchdringenden Blick auf. Wenn ich nah genug an ihm vorbeilief, flüsterte er mir zu: »Lira, heute bist du eine Katastrophe. Du läufst wie eine Ente.« Immerhin: Er hat es stets so gesagt, dass nur ich es hören konnte. Bei ganz bitteren Ausdrücken griff Papa auch gerne mal auf die albanische Sprache zurück.
    Für Rabatz und Krawall am Spielfeldrand fühlte sich mein Großvater zuständig. Opa Ramush gehörte zu diesen gefürchteten
Anverwandten, die üble Sprüche aufs Feld schreien, den Schiedsrichter bei vermeintlichen Fehlentscheidungen anpöbeln und kurz davor sind, den grünen Rasen zu stürmen. Mir war das nur peinlich. So ein schlimmer »Fan« ist mir in meiner ganzen Laufbahn nie wieder begegnet. Heute meidet Opa Fußballplätze. Das ist wohl besser für sein Herz …
    Wenn Papa am Spielfeldrand zuschaute, war ich total glücklich. Es motivierte mich besonders, meist spielte ich dann einen Tick besser und schoss auch Tore. Nach dem Schlusspfiff lobte mich dann mein ehrgeiziger Vater – das war das Größte für mich!
    Seit meinem Fußball-Outing war Papa fürs Wochenende und sämtliche Trainingsabende bei meiner Mama abgemeldet:

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