Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
oft zu mir: »Du musst Fußball in einem Verein spielen und auch richtige Spiele absolvieren.« Ich erwiderte immer trotzig: »Sag das nicht mir, sondern meinem
Vater.« Mimi träumte davon, dass ich mit ihr zusammen im Verein spiele. Sie kickte damals schon beim FSC Mönchengladbach, zusätzlich kam sie später auch noch in die Trainingsgruppe nach Giesenkirchen. Der FSC Mönchengladbach wäre für mich mit dem Bus durchaus erreichbar gewesen, aber meinen Papa hätte ich da schon einweihen müssen. Das funktionierte also nicht.
In der vierten Klasse fand meine Klassenlehrerin, dass das so nicht mehr weitergehen konnte und ich unbedingt in einen Verein mit regelmäßigen Punktspielen eintreten müsse. Unsere Trainingsgruppe bei DJK/VfL Giesenkirchen war eher so eine Freizeiteinrichtung. Man musste nicht regelmäßig erscheinen, der Spaß stand absolut im Vordergrund. Meine Klassenlehrerin Frau Gincberg, die uns in Deutsch, Mathe und Sport unterrichtete, unterstützte mich von Beginn an bei meinen fußballerischen Ambitionen. Bereits in der zweiten Klasse lud sie uns Schüler zu sich nach Hause zum Grillen ein. Wir spielten in ihrem Garten auch Fußball. Ihr Ehemann sah, wie ich mit dem Ball umgehen konnte, und war begeistert. Seit diesem Zeitpunkt setzte sich Frau Gincberg über die Maßen für mich ein. Sie wusste um mein Talent und wie traurig ich darüber war, dass ich heimlich lediglich in einer kleinen Trainingsgruppe und nicht offiziell in einem Verein spielen konnte. Frau Gincberg kannte die Einstellung meines Vaters.
Nach zwei Absagen in den Jahren davor sollte ich in der vierten Klasse nun endlich erstmals bei diesem besagten Schulturnier teilnehmen. Das war das erklärte Ziel meiner Klassenlehrerin. Die besten Fußballspieler unserer Schule traten gegen andere Schulen aus dem Umkreis an, um den sogenannten Drumbo-Cup zu gewinnen. Mich wollte die Schulleitung, die mich jeden Tag im Pausenhof spielen sah, auf jeden Fall dabei haben. Frau Gincberg gab alles! Das Turnier ging über zwei Tage, das Einverständnis von Papa war notwendig. Ich habe ihn damals ein drittes Mal gefragt und bekniet. Ich erzählte ein bisschen von meinen Schulhoftrainingseinheiten, versuchte es mit töchterlichem Bezirzen.
Keine Chance! Papa lehnte meine Teilnahme erneut kategorisch ab. »Nein, auf gar keinen Fall – und frag mich das nie wieder, es nervt, Lira«, sagte Papa sichtlich böse.
Wie jedes Jahr musste ich Frau Gincberg, die alles um das Turnier herum organisierte, absagen und brach vor ihr in Tränen aus. Frau Gincberg war fassungslos. Meine Klassenlehrerin gehörte zu diesen ganz engagierten Personen – und selbstverständlich gab sie sich so schnell nicht geschlagen. »Das akzeptiere ich nicht«, erklärte sie wutentbrannt und rief wenige Minuten später meinen Vater höchstpersönlich an. Der stellte wieder auf stur und erneuerte sein kategorisches Nein zu meinem Einsatz. Schlussendlich saß meine Lehrerin sogar bei uns zu Hause auf dem Sofa, wollte meinen Papa überreden und mit Charme überzeugen. Frau Gincberg war wieder einer dieser Engel, die mir regelmäßig in meinem Leben begegnen. Diese gute Seele setzte sich so unheimlich toll für mich ein, erzählte meinem Papa von meinem Talent, von meiner Technik, sie versuchte es mit Engelszungen – Papa blieb dennoch hart. Er sagte: »Ich bitte Sie, Mädchen spielen kein Fußball. Und schon gar nicht meine Tochter.« Frau Gincberg und ich waren danach sehr enttäuscht, sie versuchte, mich zu trösten. Sie redete mir gut zu und zerbrach sich vergeblich den Kopf nach einer Lösung.
Schlussendlich bin ich trotzdem zum Drumbo-Cup mitgefahren! Dafür tat ich etwas, wofür ich mich heute noch immer ein bisschen schäme: Ich fälschte Papas Unterschrift für die Einverständniserklärung zum Schulturnier. Ich würde mich nicht wundern, wenn meine Klassenlehrerin ahnte, was ich angestellt hatte. Sie sah die angebliche Signatur meines Vaters und lächelte mich geheimnisvoll an. Frau Gincberg fragte nicht nach. Sie wollte, dass ich mitspiele. Mama war eingeweiht. Sie und ich haben Papa die Aktion als Schulausflug verkauft. Das fiel nicht weiter auf. Er hatte ja beim Thema Fußball in Verbindung mit meinem Namen nie richtig zugehört. Deshalb war ihm auch nicht klar, wann das Turnier genau stattfinden sollte.
Jedenfalls lieh ich mir Fußballschuhe und ein paar Klamotten von Freunden. Ich war immer schon so ein dünnes Persönchen, aber in Jungstrikots und Schlabberhosen sah
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