Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
alles an bei mir. Überall spielte ich Fußball: Auf dem Schulhof, auf dem Bolzplatz, auf der Straße, selbst in der kleinen Wohnung. Vor meinem Papa hielt ich alles geheim, denn er sah mich mit anderen Augen. Für ihn war ich dieses zarte Püppchen, das ganz gut singen und tanzen konnte. Papa hätte es gefallen, wenn ich mich in Richtung Schauspielerin, Sängerin oder Tänzerin orientiert hätte. Tatsächlich bringe ich stimmlich Talent mit. Bei sämtlichen Familienfesten darf ich nach wie vor die Lieder schmettern. Ausgeladen und ausgebuht wurde ich bisher noch nicht. Und nur aus Mitleid sich immer ein Liedchen von Lira reinzuziehen, ist auch nicht das Ding meiner Verwandtschaft. Die reden Klartext. Wenn ich die Töne nicht treffen würde, hätten die sich spätestens nach dem zweiten Auftritt verabschiedet und nach einer besseren Alternative umgeschaut.
So, und nun kommt diese kleine Göre an und will Fußball spielen. Ich versuchte meinen Vater von Zeit zu Zeit zaghaft anzupieksen und für meinen Sport zu begeistern. Doch damit war mein Papa überfordert, mit so etwas hat er nicht gerechnet. Meinen Bruder Flakron meldeten meine Eltern schon mit fünf Jahren beim Fußballverein in Giesenkirchen an. Er gehörte zu den kleinen Kerlchen, bei denen das Überziehleibchen bis zum Boden reicht. Goldig!
Meinem Papa fiel damals nie auf, dass ich mit Fatos und Flakron oft auf dem Schulhof bolzte und überhaupt jede Gelegenheit nutzte, um Fußball zu spielen.
In der zweiten Klasse wurde es dann erstmals ernst. Es gab ein Turnier, bei dem unsere Schule gegen andere Schulen in Mönchengladbach antreten musste. Um dabei sein zu dürfen, brauchte ich eine Unterschrift meiner Eltern. Weil Mama sich in solchen Dingen heraushielt, fragte ich Papa, ob ich mitspielen dürfte. Er erlaubte es nicht. Irgendwie dachte er, dass das nur so eine verrückte Idee von mir sei. Aber ich ließ nicht locker.
Ein Jahr später folgte das gleiche Spielchen erneut, ich woll-te
Lira, das kleine Prinzesschen, gibt Papa einen Kuss …
wieder bei diesem Schulturnier mitspielen und deutete das Thema erneut zaghaft an. Papa fragte mich damals, ob ich noch ganz bei Trost sei. Ich war bei ihm in einer Schublade drin: Kleines Prinzesschen. Das durfte sich doch nicht schmutzig machen, musste etwas Besonderes bleiben. Ballett oder Leichtathletik wäre als Sport okay gewesen, aber Fußball? Das war doch nichts für Frauen! Ich ordnete mich erst mal unter. Mein Vater dachte zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht daran, dass ich es ernst meinen könnte.
Heimlich bolzte ich weiter mit den Jungs. Ich war schon immer eine kleine, freche Göre, die so gar nicht in der Masse mitschwimmt. Ich wollte nicht das machen, was alle Mädchen machten. Mit Puppen konnte ich nichts anfangen. Ich trug bis zum Teenageralter auch nie gerne Kleider oder Röcke. Ich orientierte mich in dieser Lebensphase an meinen Brüdern, trug somit gerne Jungsklamotten. Grätschen – beim Fußball also mit gestrecktem Bein auf dem Boden an den Ball rankommen-,im Dreck wühlen, auf den Platz spucken, mich austoben: Das war mein Ding. Dafür war der Fußballplatz geradezu ideal.
Mama kannte mein Geheimnis – zumindest ein bisschen. Auch wenn sie es heute nicht vor Papa zugeben will. Sobald ich das Haus verließ, sagte ich ihr immer, dass ich mit den Jungs spielen würde. Mama redete sich ein, dass unser Zeitvertreib aus Fangen oder Verstecken bestand. Dabei wusste sie ganz genau, was lief: Ich ging mit meinen acht Jahren r egelmäßig zu einer Trainingsgruppe bei der DJK/VfL Giesenkirchen, dort trafen wir uns zweimal die Woche für jeweils eineinhalb Stunden zum Fußballspielen. Zusammen mit verschiedensten Jungs, die teilweise auch auf dem Bolzplatz oder in der Schule mit mir kickten, verfeinerte ich dort meine Technik, es wurde viel gedribbelt und aufs Tor geschossen. Punktspiele am Wochenende waren für diese Gruppe allerdings nicht geplant. Geld kostete das Ganze auch nicht.
Meine große Cousine Mimi, die der aufmerksame Leser jetzt schon langsam kennen dürfte, war bei dieser Freizeittruppe auch mit von der Partie. Ich neigte damals stark dazu, Mimi alles nachzumachen. Wenn meine Cousine gestrickt hätte, wäre ich heute wohl Strickweltmeisterin. Mimi entschied sich zum Glück für Fußball.
Noch vor meiner Trainingsgruppenkarriere kickten wir zwei Mädels regelmäßig im Park ums Eck. Anders als mein Papa förderte Mimis Vater Nexat das Talent seiner Tochter von Beginn an. Er sagte
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