Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
Jedes Spiel, jedes Turnier, jede noch so unwichtige Übungseinheit – sobald es sein Job zuließ, hat er sich alles angeschaut. Und wenn mein Vater etwas macht, dann richtig: Er kaufte mir die tollsten Fußballschuhe, die besten Marken, die schicksten Trikots, die neuesten Schienbeinschoner. Alles nur, damit sein kleines Mädchen die vermeintlich Schönste auf dem ganzen Rasen darstellte. Mir war das manchmal unangenehm, wenn Papa wieder etwas für mich gekauft hatte und ich im Mega-Pink-Outfit auf dem staubigen Hartplatz trainierte. Da verdrehten die Mitspielerinnen gelegentlich die Augen. Doch es war nicht mehr nur mein Vater, auch ich selbst wollte auf dem schäbigsten Acker gut aussehen, brauchte somit immer die farbenprächtigsten Fußballschuhe.
Unserer Familie ging es zu diesem Zeitpunkt finanziell schon besser, da waren solche Extras durchaus drin. Viele Dinge konnte ich aber auch mit meiner Cousine Mimi tauschen. Sie besaß wie ich einen extravaganten, farbenfrohen Geschmack, das passte gut.
Ich glaube, damals begann das mit diesem »Tussi-Kram«. Langsam entwickelte ich mich vom burschikosen Mädel zum Mädchen. Ich entdeckte meine Weiblichkeit, ließ mir die Haare wachsen, legte mehr Wert auf mein Äußeres und behängte mich mit Schmuck. Jungsklamotten wurden im Alltag tabu, Röcke und Kleider rückten in den Vordergrund. Bei Punktspielen
– wir kickten damals in der Niederrheinliga – mussten wir leider einheitlich auftreten. Zumindest konnte ich mit meinen Schuhen einen kleinen Farbtupfer setzen. Ich hatte damals schon meinen Ruf weg, sorgte bei meinen Mannschaftskolleginnen mit schrillen Schuhen und einer Unmenge an vielfarbigen Stutzen für Aufmerksamkeit. Wenige Jahre nach der Stutzen-Sammlung folgten in meinem Leben die Taschen-, Schuh- und Sonnenbrillenkollektionen …
Meine Vorbilder sind übrigens der französische Fußballspieler Zinedine Zidane und Ronaldinho. Dieser Brasilianer ist auch so ein bisschen verrückt wie ich. Der trägt gerne bunte Klamotten und lustige Frisuren. Ich durfte ihm immerhin schon mal die Hand schütteln, und er traute sich auf ein Foto mit mir. Wir waren in Shenyang, einem der olympischen Spielorte, im gleichen Hotel untergebracht – ich mit der deutschen Frauen-Nationalmannschaft, er mit dem brasilianischen Olympiateam.
Célia und ich dürfen Ronaldinho in unsere Mitte nehmen – bei Olympia 2008 in China
Beim Nationalmannschaftsspiel gegen Brasilien im April 2009 traf mein Vater das erste Mal auf den Präsidenten des
Deutschen Fußball-Bundes, Dr. Theo Zwanziger. Herr Zwanziger wollte schon so lange mal meine Eltern kennenlernen. Allerdings hatte mein Papa bis dato Berührungsängste und sagte immer: »So ein großer Mann will ausgerechnet mich treffen?« Im VIP-Raum des Stadions war es dann so weit. Papa konnte seine Begeisterung für den Präsidenten mit seiner Menschlichkeit und normalen Art kaum verbergen. Sie redeten lange. Für meinen Papa war das etwas ganz Besonderes: Ausgerechnet für ihn hatte sich der mächtigste Mann im deutschen Fußball etwas Zeit genommen. Papa hat noch ganz lange davon erzählt.
Am Ball – 2009 beim Länderspiel gegen Brasilien
Meine Eltern begleiten mich heute zu vielen meiner Spiele. Sie sind wahnsinnig stolz, wenn sie mich mit dem deutschen Trikot sehen. Papa singt die deutsche Hymne inbrünstig mit, Mama ist noch nicht so textsicher. Eine Gänsehaut bekommen beide. Das ist so süß. Meine Eltern und ich fühlen uns in dem Moment unheimlich deutsch. Wir sind so dankbar, dass alles so gelaufen ist. Mit unserer Flucht, dem Einleben, den Möglichkeiten und Chancen, die uns hier gegeben wurden. Wir haben diesem Land sehr viel zu verdanken.
Lira für Deutschland
Mein Weg zum WM-Titel
Nachdem ich die »Hürde Papa« genommen und ihn von meinen Ballkünsten überzeugt hatte, ging es mit meiner Fußballkarriere stetig bergauf. Begonnen hatte alles auf dem Bolzplatz und dem Schulhof im Alter von sechs Jahren. In meinem ersten Verein DJK/VfL Giesenkirchen trat ich zwei Jahre später noch heimlich ein, kickte mit den Jungs. Ganz offiziell wechselte ich dagegen mit elf Jahren zum FSC Mönchengladbach, spielte dort nur noch mit anderen Mädels. Unter anderem war Mimi mit von der Partie. Meine Cousine tritt heute übrigens nur noch hobbymäßig beim FC Finnentrop gegen den Ball, sie hatte keine Lust, sich dem Fußball voll und ganz zu verschreiben.
Mit 15 Jahren bekam ich einen Anruf vom FCR Duisburg. Der Bundesligaverein
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