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Mein Vater der Kater

Mein Vater der Kater

Titel: Mein Vater der Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Sprache studieren. Ein Glück, daß ich in einer Behausung mit so vielen Büchern gelandet war. Bei manchen ist dein Foto hinten auf dem Umschlag. Ich nehme an, du bist Schriftsteller.«
    »Ja«, sagte ich. »Wirst du meine Bücher rezensieren?«
    Das sollte ein Scherz sein.
    »Ein paar von ihnen schmeckten ein wenig weinhaltig«, sagte die Schabe. »Aber keine Angst, es ist kein Schaden entstanden. Ich brauche nur eine sehr geringe Menge Papier, um meinen Hunger zu stillen.«
    Ich war nicht sicher, ob das auch ein Scherz sein sollte.
    »Weißt du«, sagte ich leichthin, »es fällt mir ein bißchen schwer zu glauben, daß all dies hier wirklich geschieht. Vielleicht sollte ich wieder ins Bett gehen und herausfinden, ob alles nur ein Traum ist.«
    »Verstehe«, sagte die Schabe und klang dabei noch melancholischer. »Das ist genau die Reaktion, die ich erwartet hatte. Es macht mir ja auch schwer zu schaffen, wenn ich an die Skeptiker denke, mit denen du zu tun kriegen wirst. Vorausgesetzt natürlich, du bist bereit, mir zu helfen.«
    »Dir helfen? Wie?«
    »Ich suche meine Familie«, sagte die Schabe.
    Wie sich herausstellte, drückte das Wort ›Familie‹ am besten aus, wie Archy seine Beziehung zu den anderen Schaben sah, welche mit ihm durch den Weltraum gereist waren. Halt. Der letzte Satz enthält ein paar Dinge, die der Erklärung bedürfen. Die Schabe hieß keineswegs Archy. Soweit ich feststellen konnte, hatte sie überhaupt keinen Namen und brauchte auch keinen. Ich taufte sie Archy – nach dem wunderbaren Gedicht Archy und Mehitabel von Don Marquis, in dem es um eine Schabe und eine Katze geht. Und Archy war natürlich auch keine Küchenschabe, sondern gehörte einer hochentwickelten Spezies an, die durch Asteroiden, welche dank irgendeiner Katastrophe auf ihrem Heimatplaneten entstanden waren, auf die Erde heruntergeladen worden war. Keine Raumschiffe, leider. Nur Gesteinsbrocken.
    Auf dem natürlichen Vehikel, das meine Schabe zur Erde gebracht hatte, waren zunächst vier Archys gewesen, davon zwei männlichen Geschlechts (Archy eingeschlossen). Dann hatte es der überhitzte Durchflug durch unsere Atmosphäre jedoch in kleinere Stücke zerlegt, von denen eines – ich Glückspilz! – bei mir gelandet war. Die Trennung von den drei anderen Schaben stellte für Archy nicht ausschließlich eine gefühlsmäßige Katastrophe dar. Weit mehr als die unsere ist die Art auf ihren jeweiligen Partner angewiesen, und ohne seine ›Sie-Hälfte‹ (die beste Definition, die er liefern konnte) würde Archy nicht lange überleben können.
    Nach seiner Landung hatte Archy keinen Versuch unternommen, mit mir oder meinesgleichen in Verbindung zu treten, sondern sich erst einmal mit unserer Sprache und unseren Gebräuchen vertraut gemacht. Die wichtigste Lektion, die er dabei gelernt hatte, war die, daß bei uns die Unterschiede zwischen seiner und unserer Art eine sogar noch ernstere, lebensbedrohendere Gefahr darstellten als die Trennung von der ›Sie-Hälfte‹ Wie wahr! Man sehe sich nur mal die Spraydose an. Zum Beispiel.
    Und was erwartete Archy nun von mir?
    »Ich brauche einen Delegierten«, sagte meine Schabe. »Einen Repräsentanten. Einen Lobbyisten. Nenn es, wie du willst. Ich brauche jemanden, der mich vor euren höchsten Gremien vertritt.«
    »Bring mich zu eurem Führer«, sagte ich spröde. Archy überhörte das klugerweise.
    »Ich kann meine Bedürfnisse nur durch eine Person mitteilen«, fuhr er fort. »Durch die Person, die den einzigen Empfänger, über den ich verfüge, in sein Gehirn implantiert bekommen hat.«
    »Warum hast du mich dazu ausgesucht?«
    »Weil du halt da warst«, antwortete Archy. Ich fühlte mich nicht gerade geschmeichelt.
    Aber obwohl ich nur eine Zufallswahl gewesen war, war mir Archy ganz eindeutig dankbar dafür, daß ihm meine Bibliothek zu einer soliden Bildung verholten hatte, ganz zu schweigen von drei vollen Mahlzeiten pro Tag. Außerdem hatte er das Glück gehabt, bei einem Menschen gelandet zu sein, der seinen Lebensunterhalt mit Hilfe seiner Phantasie verdiente, ja, der sogar eine ganze Reihe von Science-fiction-Romanen geschrieben hatte und deshalb – wahrscheinlich – besser als mancher andere in der Lage war, den Gedanken an ›Besucher aus dem All‹ zu verkraften. Um die Wahrheit zu sagen, bildete ich mir einiges auf meine Qualifikationen ein.
    Aber was war mit meiner Frau? Sie las nie Science fiction. Sollte ich ihr von Archy erzählen? Hm, man stelle sich doch

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