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Mein Vater der Kater

Mein Vater der Kater

Titel: Mein Vater der Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Menschheit von größtem Interesse war. Als ich Archy den Vorschlag unterbreitete, gab er müde krächzend seine Zustimmung und kletterte in die kleine Plastikschachtel.
    »Eine Schabe?« fragte Perry Downes, als ich die Schachtel auf seinen Schreibtisch setzte.
    »Ein extraterrestrischer Besucher«, antwortete ich ernst, »Ich weiß, daß er unseren üblichen Vorstellungen ganz und gar nicht entspricht. Wir meinen ja immer, Aliens müßten riesengroße Augen und hagere Körper haben. Oder drei Meter groß sein. Oder gewaltige Klauen haben, in denen sie wunderhübsche, leichtbekleidete Frauen mit sich herumtragen. Aber warum sollte es nicht auch ein kleiner Käfer sein können? Eine Küchenschabe? Die gibt es schon seit 320 Millionen Jahren auf dieser Erde, Mr. Downes. Warum könnte es also nicht sein, daß sie auch auf anderen Planeten existieren und sich dort zu intelligenten, empfindsamen Wesen entwickelt haben?«
    Downes berührte die Schachtel mit der Spitze eines Fingers. Archy rührte sich nicht.
    »Sind Sie sicher, daß dieses Tier lebendig ist?«
    »Ja, aber das wird es nicht mehr lange sein«, erwiderte ich. »Wenn ihm nicht bald geholfen wird. Es ist ein Männchen und muß seine Partnerin wiederfinden, das, was er seine ›Sie-Hälfte‹ nennt. Wenn nicht, sind beide verloren. Denken Sie nur, was für ein großer Verlust das für die Menschheit wäre, Mr. Downes. Vielleicht ist dies unsere einzige Chance, mit einer fremden Spezies in Kontakt zu treten.«
    Ich öffnete die Schachtel und setzte Archy behutsam auf die blankpolierte Schreibtischplatte.
    »Er ist sehr schwach«, sagte ich. »Es wird einer übermenschlichen- oder sollte ich besser sagen: überalienschen
    Anstrengung seinerseits bedürfen, auf meine Befehle zu reagieren. Aber er hat zugesagt, es versuchen zu wollen. In der Hoffnung, Sie davon zu überzeugen, daß er echt ist.«
    Ich beugte mich zu dem Tier hinunter und sagte: »Wink Mr. Downes zu, Archy.«
    Einer der Fühler bewegte sich ein klein wenig. Ich war erleichtert, konnte aber auch sehen, daß Mr. Downes nicht beeindruckt war.
    »Bitte kriech – ich nieine, geh – mal nach rechts, Archy.«
    Archy bewegte sich lange nicht. Ich hörte in meinem Kopf ein schwaches, blökendes Geräusch und wußte, daß er sich allergrößte Mühe gab.
    Dann bewegte er sich. Er begann, auf seinen winzigen Beinchen unsicher voranzukriechen.
    »Das ist links«, bemerkte Mr. Downes.
    »Tut mir leid«, sagte ich schnell. »Archy dachte, ich hätte von mir aus gesehen rechts gemeint. Archy, ändere den Kurs. Bitte. Geh jetzt mal in die andere Richtung.«
    Archy rührte sich nicht.
    »Bitte sprich mit mir.«
    »Bin verdammt müde«, sagte die schnarrende Stimme wie aus großer Entfernung. Aber dann kroch Archy in der anderen Richtung weiter. Ich sah Perry Downes an. In seinen Augen blitzte etwas auf, in mir keimte Hoffnung. Dann sagte er: »Das ist ja ein Ding! Eine dressierte Küchenschabe!«
    Damit war das Gespräch beendet.
    Ich nahm bis um zwei Uhr nachts keine Verbindung mit Archy auf. Erst dann schlich ich mich leise von der Seite meiner schlafenden Frau und aus dem Schlafzimmer. Ar- chys Plastikbehausung war gut in einem Schrank versteckt
    hinter einem Stapel von Schälchen, die wir zur Hochzeit bekommen und noch nie benutzt hatten. Ich trug die Schachtel zum Küchentisch und ließ den fast schon komatösen Alien heraus.
    »Schmerzen«, sagte Archy nur, und mein Herz zog sich in mir zusammen wie eine Hand, die sich zur Faust ballt.
    »Das tut mir leid, Archy«, sagte ich. »Ich habe getan, was ich konnte.«
    »Ist nicht deine Schuld. Aber ich sterbe jetzt. Ich würde lieber nicht auf diese Weise verenden müssen. Schmerz macht eine Unendlichkeit daraus.«
    »Kann ich dir irgendwie helfen?«
    »Die Spraydose«, sagte Archy.
    »Ist das dein Ernst?«
    »Du tätest mir einen Gefallen.«
    Ich holte das Insektizid aus dem Schrank. Aber ich vermochte mich nicht dazu zu bringen, der Sache ein Ende zu machen und mit der Dose in seine Richtung zu zielen.
    »Ich möchte nach wie vor, daß sie dir glauben«, sagte ich elend.
    »Das würden sie erst, wenn ich eine Fiktion, eine Erfindung wäre. Du bist doch Schriftsteller. Schreib es auf.«
    »Als Dichtung? Als fiktive Geschichte?«
    »Laß uns sprühen.«
    Ich schloß die Augen und drückte den kleinen, weißen Knopf auf der Dose. Ich konnte hören, wie die tödliche Dusche herauszischte. Ich wartete ganze zehn Sekunden und machte dann die Augen wieder auf. Archy

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