Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Vater der Kater

Mein Vater der Kater

Titel: Mein Vater der Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
der meinem zugegebenermaßen langweiligen Gesicht tatsächlich ein bißchen Charakter verlieh (ich spielte schon mit dem Gedanken, mir einen eigenen stehen zu lassen), aber ich hatte ihn dann doch lieber weggelassen und die Sonnenbrille gewählt. Die war angesichts des schummrigen Lichts bei Boomer nur lästig, und ich nahm sie bald ab, nachdem ich Jeremy Watts anhand der Rose, die er zwischen den Zähnen hielt, erkannt hatte. War nur ein Scherz, Keith Dixon hatte mir den Mann sehr genau beschrieben – in den späten Dreißigern, klein, schmalschultrig, ein bißchen pockennarbig, eine markante Nase und ein nettes, warmes Lächeln.
    Watts saß in einer Nische. Es waren mehrere frei, da es die jüngeren Leute vorzogen, sich netzwerkend, flirtend und durch das nahe Beisammensein aufgeheitert um die Bar zu scharen. Ich mußte mich nicht ausweisen, sondern setzte mich einfach ihm gegenüber nieder. Watts nickte mir freundlich zu und fragte, ob ich was trinken wolle. Ich bestellte ein Bier, aber nur, um den Schein zu wahren. Als das Getränk gebracht worden war, zog ich den dicken braunen Umschlag aus der Tasche und legte ihn vor Watts auf den Tisch.
    »Wieviel?« erkundigte er sich kurz und bündig.
    »Viereinhalb«, antwortete ich. »Der Rest nach Ausführung.«
    Er wog den Umschlag in der Hand und grinste.
    »Alles in kleinen Scheinen«, sagte ich, »wie von Ihnen verlangt.«
    Die Sache fing an, mir Spaß zu machen. Es war wie im Kino, und ich war der Star. Mir kam es ganz so vor, als veränderte sich mein Gesicht, als härteten sich meine Kinnladen, als würden meine Augen stahlhart.
    Dann beschrieb ich ihm das Ziel. Nannte ihm die Adresse. Schlug die für die Erledigung geeignetste Zeit vor. Er hörte sich meine Ausführungen kopfnickend an, nahm sie in sich auf, machte schon einen Plan.
    »Okay«, sagte er schließlich. Der Umschlag verschwand in dem großen, unförmigen Mantel, den er anhatte. »Sehen Sie die Sechs-Uhr-Nachrichten. Morgen abend, vielleicht wird‘s auch übermorgen. Kommt drauf an.«
    Er stand auf, und ich war enttäuscht. Ich hätte es lieber gesehen, wenn diese gefährliche Zusammenkunft nicht so schnell zu Ende gegangen wäre. Ich hatte den Augenblick genießen wollen, aber er war viel zu schnell vorbei. Gerade hatte ich einen Auftragskiller auf einen mörderischen Gang geschickt – und alles war schon wieder so schal und flach wie das immer noch unangerührte Bier in meinem Glas.
    Die Banalität des Bösen.
    Der Ausschuß tagte in den nächsten vierundzwanzig Stunden nicht. Wir nickten uns auf Fluren zu. Andy und ich gingen zwar zusammen zum Mittagessen in die Kantine, aber wir unterhielten uns nur über Baseball. Sam Buloff war in Mexiko, um für die Firma ein Fabrikgelände zu suchen. Keith Dixon zwinkerte mir einmal zu. Joe Fan- ning bedachte mich wie immer mit Arbeit – mit all dem Mist, den er nicht auf seinem Schreibtisch liegen haben wollte. Es war also alles so, wie es bei Bowman-Johnson immer war.
    Drei Abende später saßen wir vor unseren jeweiligen Fernsehapparaten und sahen uns die Sechs-Uhr-Nachrichten an.
    Ein Mann, der die Falschnamen Bill Simmons und Jeremy Watts benutzte, war bei einem versuchten Einbruch in die Terrace Apartments von einem Wachmann des Sicherheitsdienstes erschossen worden, hatte zuvor jedoch noch eine Frau namens Cheryl Edwards ermordet, die als Kellnerin und gelegentlich als exotische Tänzerin im Blue Ballroom am Highway 17 arbeitete. Die Obduktion hatte ergeben, daß Cheryl im fünften Monat schwanger war.
    Als ich mich mit Mort Cunningham auf dem Parkplatz traf, pfiff er, seinem silberfarbenen Porsche entsteigend, ein Liedchen. Es war noch nicht einmal halb acht Uhr morgens, aber Mort kam stets früh und ging spät. Das war eine weitere der Eigenschaften, die ihn Sam Bowman lieb und wert machten, aber ich hatte den Verdacht, daß sich seine Arbeitszeit schnell verkürzen würde, wenn er erst einmal mit Sams Tochter verheiratet war. Die Hochzeit sollte Anfang Juni sein. Man konnte sich darauf verlassen, daß Mort die Tradition hochhalten würde.
    »Na, Howie«, sagte er, »was wollten Sie denn nun wissen?«
    »Diese Frau, deren Adresse Sie mir gegeben haben«, sagte ich, »Sie haben bei der Beschreibung etwas weggelassen. Sie haben nichts davon gesagt, daß sie schwanger war.«
    Mort bedachte mich mit einem seiner patentierten Finsterblicke. »Warum, glauben Sie wohl, mußte das sein? Weil sie mich bedroht hat, Howie. Sagte, sie würde sich an den alten

Weitere Kostenlose Bücher