Mein Wahlkampf (German Edition)
früher auch versucht, «SDS, KBW, MLPD, DKP, dann Grüne, SPD, FDP, danach war Schluss». Heute sei er parteilos und halte sich an die, die seine Interessen als «fortschrittlicher Ausbeuter» am besten verträten. Bei mir sehe er «noch keine klare politische Linie», aber gerade das gefalle ihm. Er habe schon viele Wahlkämpfe finanziert und daraus vor allem eine Erkenntnis gewonnen: «Wahlkämpfe kosten Geld.» Wie recht er damit hatte!
Er fragte mich, ob ich Visionen hätte. Als ich verneinte, schien er erleichtert. Schließlich gab er mir Tipps für mein weiteres politisches Überleben: «Du solltest Standpunkte einnehmen» – als Kommunist verwendete er das Genossen-Du –, «die von wirtschaftlich starken Partnern aus Industrie und Handel ebenfalls vertreten werden, damit sie deine Kosten übernehmen. Ich werde dich nicht die ganze Zeit durchfüttern können. Dafür musst du allerdings deren Positionen so gut wie möglich durchsetzen, sonst suchen die sich einen anderen. Das geht ruckzuck – wir sind schließlich eine kapitalistische Demokratie.»
Eine längere Gesprächspause trat ein, die er sichtlich zu genießen schien. Ich sagte sicherheitshalber nichts, um mich nicht in Widersprüche zu verwickeln. Der Industrielle schwieg vielsagend. Der Landesvorsitzende war auf seinem Stuhl eingeschlafen.
Als es draußen hell wurde, bedankte sich der Wehnerfan für das gute Gespräch. «Eine Sache hab ich noch. In deinen ‹9,5 Thesen für Frankfurt› forderst du eine Sondersteuer für SUVs und Heizpilze. Das mit den Pilzen könnt ihr gerne machen, aber das mit den Autos solltest du noch mal überdenken.» Er kam auf seine Fahrzeuge zu sprechen: dass er und seine Frau ja jeder eine Mercedes M-Klasse fuhren, obwohl sie beide eigentlich viel lieber eine E-Klasse gehabt hätten.
Der Landesvorsitzende gab mir diskret einen Knuff – und da erst fiel bei mir der Groschen. Dieser Herr war genau jener Kunde Griesbach, den der Landeschef vor Wochen in meinem Beisein telefonisch bearbeitet und dem er schließlich die zwei Oberförsterautos aufgeschwatzt hatte.
«Wir sind aber jetzt mit diesen Riesenschüsseln absolut zufrieden, wir lieben diese Autos. Mit einer Sonderbesteuerung könnte ich mich niemals anfreunden, verstehst du? Und mit einem Flughafen in meiner Nähe erst recht nicht. Klar?»
Während er das sagte, stopfte er mir ein leichtes, weiches Bündel in die Tasche meines roten Anzugs, brachte uns zur Tür, sagte Lebewohl und entließ uns ins Morgengrauen. Auf der Rückfahrt holte ich das Bündel aus der Tasche. Es waren zehntausend Euro in zehn Scheinen.
«Bingo!», rief der Landesvorsitzende hinterm Steuer hervor und schwenkte die Faust. «Bingo! Superbingo!» Sorgen, sagte er, als er mich zu Hause absetzte, solle ich mir keine machen, denn Bestechlichkeit sei in Deutschland immer noch nicht strafbar, allenfalls Stimmenkauf. «Wenn du dich als Politiker erfolgreich und damit straffrei bestechen lassen willst, kannst du das hier problemlos tun. Wir haben die UN-Antikorruptionsrichtlinie, die Bestechung und Bestechlichkeit von Amtsträgern unter Strafe stellt, seit zehn Jahren nicht ratifiziert – damit stehen wir in einer Reihe mit Syrien, Nordkorea und Saudi-Arabien. Abgeordnetenbestechung ist bei uns nicht strafbar, für dich also kein Problem, du kannst die Spende problemlos annehmen, du bist ja noch nicht mal Amtsträger.»
Dennoch hatte ich schlaflose Nächte wegen des Geldes. Zehntausend Euro! Ich hatte noch nie so viel Bargeld auf einmal gesehen, geschweige denn besessen. Wenn ich schon als ungewählter Kleinkandidat und ohne zu fragen eine solche Summe bekam – was mochte mir da erst als Kanzler zustehen? Und was sollte ich jetzt mit dem Geld anfangen? Es gab keine Quittung, keine Rechnung, nur Bares unter der Matratze. Damit konnte ich nicht einfach mal so mein Konto ausgleichen. Oder doch? Was, wenn jemand nach der Herkunft der Kohle fragte? Jüdische Vermächtnisse?
Schließlich hatte der Landesvorsitzende die rettende Idee für den Notfall: «Wir sagen einfach, das sei gespendetes Schwarzgeld von den Piraten. Dann kriegen die Besuch von der Steuerprüfung, und denen müssen sie das Gegenteil erst mal beweisen.»
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Die Kür
Wie man ohne Frau und Inhalte zum Spitzenkandidaten wird
Der Endkampf um Frankfurt war, ich kann das nicht anders sagen, eine verzweifelte Schlacht, ein Ringen, roh und unerbittlich, Härte zehn. Streng genommen sogar Härte fünfzehn, denn
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