Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Wahlkampf (German Edition)

Mein Wahlkampf (German Edition)

Titel: Mein Wahlkampf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Maria Schmitt
Vom Netzwerk:
sind die doch eh!», brüllte der Landesvorsitzende. «Da sind die auch noch stolz drauf!»
    Der Politkommissar hielt inne. Starr und stumm saß er da, wie ein verwittertes Denkmal seiner selbst. Dann sank er in sich zusammen. Unendlich klein saß, ja lag er bald auf seinem Stuhl und knetete mit beiden Händen seinen Trotzkibart. Jetzt wimmerte er auch noch. Und zitterte. «Oh Mann, die haben mich gelinkt. Einfach ganz übel abgelinkt. Ihr habt ja recht – Ideenklau, das ist ein Vorwurf, der trifft die gar nicht.» Als Wiedergutmachung bot der gescheiterte Intrigant «eine Runde Selbstkritik» an – so wie das während Maos Kulturrevolution üblich gewesen sei.
    Er tat mir leid. Entweder war er tatsächlich so einfältig – oder wir waren es, weil er uns schon wieder was vorspielte und wir auf ihn reinfielen. Doch diese Möglichkeit schied eigentlich aus, denn ich weigerte mich strikt, an meiner Unfehlbarkeit in politischen Dingen zu zweifeln. Das konnte ich mir als Spitzenkandidat jetzt auch gar nicht mehr leisten. Ein Spitzenmann macht keine Fehler mehr. Außer, er heißt Steinbrück. Aber so dumm kann eigentlich kein Mensch sein.
    Was war nur aus uns geworden? Hatte diese ganze Kampagne nicht als großer Spaß begonnen? Was noch vor wenigen Wochen ein kreatives Spiel mit Mächtigen und Medien war, hatte sich nun zu einer schmutzigen Politposse entwickelt, mit allem, was dazugehörte: mit Alleingängen und Lagerbildung, Zankereien und Intrigen, tiefen Gräben und viel selbstgerechter Empörung im Kampf um die Macht. Hierarchien waren entstanden, wo es vorher keine gab, weil intelligente Menschen um Ämter rangen, die nur in ihrer Vorstellung existierten. Das einzig Reale war das Spitzenamt, das ich persönlich anstrebte. Nun war es an mir, die verfahrene Situation zu retten. Ich musste jetzt Führungsstärke, Autorität und Weitsicht beweisen.
    «Reißt euch zusammen, ihr Versager!», rief ich und drohte allen Beteiligten schwerste Repressalien an, sollten sie nicht augenblicklich wieder zur Tagesordnung zurückkehren, sich auf die Wahl konzentrieren und sich auch sonst meinen Interessen sklavisch unterordnen. Alles andere sei Desertion und werde, vom Parteiausschluss mal abgesehen, drakonische Geldstrafen, Verbannung und das Tragen von Schandhüten nach sich ziehen. Durch diese besonnene Krisenintervention brachte ich schließlich wieder Ruhe in den Laden. Eine Sorge weniger. Jetzt blieben nur noch die Geldsorgen.

    Am nächsten Abend holte mich der Landesvorsitzende ab. «Wir fahren Spenden schinden», sagte er und steuerte seinen Wagen nach Norden. Er habe da einen Industriellen an der Hand, der ein gewisses «Bedürfnis» verbalisiert habe, mich zu unterstützen. «Ich hoffe schwer, den können wir melken. Streng dich ein bisschen an.» Der Magnat besaß angeblich eine bundesweit operierende Möbelwagenflotte, die unter seinem Namen fuhr, eine Cateringfirma, mehrere Getränke-Abholmärkte und die Lizenz, in Australien Produkte unter dem Namen «Smegmania» zu vertreiben, wovon er jedoch keinen Gebrauch mache, wie mir der Landesvorsitzende aufgeregt erklärte, als wir die Villa des Industriellen erreichten. Einen protzigen Bungalow mit Glasvorbau in den letzten Ausläufern des Vordertaunus. Ganz in der Nähe des Ortes, an dem wir den Höhenflughafen planten.
    Ich dachte mir überhaupt nichts dabei, als wir die beiden großen, fetten Mercedes-SUVs passierten, die vor dem Haus parkten. «Oberförsterautos», zischte verächtlich der Landeschef. Auch als sich die Tür öffnete und uns ein kleiner, kugelrunder Herr mit den Worten «Griesbach» begrüßte und uns in seinen Hobbykeller führte, fiel mir nichts auf. Ich stellte mich als Dr. Schmitt vor.
    «Soso, der Herr Kandidat», rief der Griesbach sich Nennende und wandte schon den Michel-Friedman-Griff an, noch bevor ich selbst den Politikergriff ansetzen konnte. Er war offenbar Profi. Wir gingen in den Keller, er platzierte uns an seiner Hausbar, schenkte uns einen Brunello ein und entflammte mein Mitbringsel, eine gefälschte Cohiba, die ich vor Jahren mal für schlappe dreißig Euro am Strand von S’Arenal erstanden hatte. An der Wand hingen Ölgemälde von Lenin, August Bebel und Herbert Wehner.
    «Meine Hausgötter», sagte er voller Stolz. Er sei Kommunist, schon immer gewesen, er sei der beste Anwalt und Förderer seiner Mitarbeiter, deswegen gebe es in seinem Unternehmen auch keinen Betriebsrat, das wäre ja noch schöner. In der Politik habe er sich

Weitere Kostenlose Bücher