Mein Weg - Auf dem Jakobsweg bis ans Ende der Welt
richtig aufwärts bis Orisson. Der
Regen hatte zwischenzeitlich aufgehört und die Sonne schien sogar ab und zu.
Der Wind wurde immer stärker und man musste teilweise ziemlich dagegen
ankämpfen. Irgendwie kam mir der Gedanke, dass der Wind beauftragt war, mich
wieder zurück zu wehen. So ein Blödsinn! Wer sollte das wollen? Ich kämpfte
tapfer weiter und erreichte so gegen 10:30 Uhr die Herberge in Orisson. Jetzt
erst mal einen „café con leche“ (Milchkaffee) und eine heiße Suppe. Orisson
liegt auf ca. 800 m Höhe, aber die höchste Stelle vom Pass über die Pyrenäen
liegt bei 1.420 m. Mein T-Shirt war bereits total durchgeschwitzt und ich zog
mir gleich ein neues an. Nach einer guten halben Stunde brach ich wieder auf.
Bis zum Ziel lagen noch 19 Kilometer und der Pass vor mir. Die nächsten zwei
bis drei Kilometer gingen zwar gut bergauf, bei Sonnenschein und trotz des
starken Windes kam ich aber gut voran. Irgendwie wollte die Steigung kein Ende
nehmen. Der Wind wuchs langsam zum Sturm heran und das Geradeauslaufen wurde
zusehends schwieriger. Kam er direkt von vorn, musste ich mich stark nach vorn
beugen, sonst hätte es mich umgehauen. „Das wird wieder besser“, redete ich mir
unermüdlich ein. Und wie das besser wurde!
Herberge in
Orisson
Markierung
am Wegesrand
Dass ich
irgendwann die spanische Provinz Navarra betrat, bemerkte ich gar nicht. Zu
sehr war ich mit mir und dem Sturm beschäftigt. Dass nun wieder der Regen
einsetzte, musste ja wohl so sein. Mein Regencape hing zwar über mir, machte
aber, was es wollte. In diesen Höhenlagen war das für mich auch kein Sturm
mehr, sondern schon ein Orkan. Zum Glück hörte der Regen erst einmal auf,
dachte ich zumindest. Aber nein, er machte nur Platz für den einsetzenden
Hagel!
Bergab
Richtung Roncesvalles
Die Temperatur
fiel mittlerweile ziemlich in den Keller. Das war der Moment, wo ich richtig
froh darüber war, meine Vlieshandschuhe doch mitgenommen zu haben. Vom Gürtel
abwärts total durchnässt fror ich zusehens mehr und mehr. Und es stieg immer
noch weiter an.
Zu dieser Zeit
merkte ich langsam, wie meine Kräfte sich Stück für Stück von mir
verabschiedeten. Vor mir und hinter mir war kein einziger Pilger zu sehen. Ich
stand allein auf dem Berg mit Hagel, Sturm und nur noch einem kleinen Rest an
Kraft. Zum Glück hatte ich in Orisson ein Baguette mit Schinken gekauft. Dessen
Stunde schlug jetzt!
Ich dachte
nur: „Du musst mir jetzt die nötige Kraft geben, damit ich über diesen Berg
komme.“ So lecker hatte mir noch nie ein Schinkenbaguette geschmeckt. In
Gedanken schickte ich tausendmal Dank in die Herberge nach Orisson. Das hätte
sich der Wirt dort sicher nicht träumen lassen, dass er heute noch mein Retter
wird.
Als ich
während des Essens meine Gedanken so schweifen ließ, musste ich mir selber den
Vorwurf gefallen lassen, wie dumm es doch war, hierher zu kommen. Aber ich
hatte es doch selbst gewollt und war doch trotz meiner 47 Jahre noch topfit,
oder? Na ja, egal, durchnässt, durchgefroren und total k.o. schleppte ich mich
weiter. Zum Glück hagelte es ja nicht mehr. Nein, es regnete wieder!
Endlich
erreichte ich den höchsten Punkt des Lepoeder-Passes. Mir war das aber in dem
Moment total egal, ich wollte nur weiter. Vor mir tauchte plötzlich eine
Pilgerin auf.
„Oh, bin ich
doch nicht alleine unterwegs!“, dachte ich. Sie wartete am Wegesrand und bat
mich ihren Regenponcho über ihren Rucksack zu ziehen. Natürlich half ich gern
und zog auch gleich mit forschem Schritt weiter. Meine Kräfte kamen nach und
nach wieder. Es ging jetzt nicht mehr bergauf. Kurz vor Roncesvalles führte die
Route dann drei bis vier Kilometer durch ein Waldgebiet bergab, so steil
bergab, dass es sehr anstrengend für die Füße war. Mein Ziel rückte aber näher
und mit ihm kam auch meine gute Laune wieder. Wenn ich das hier bewältigt habe,
schaffe ich einfach alles!
nach der
langen Tour
Um 15:00 Uhr
erreichte ich frohen Mutes Roncesvalles. Der Ort besteht hauptsächlich aus
einem Kloster und zwei Restaurants für Pilger und Touristen. Erst einmal ein
Bett suchen. In der Herberge der Abtei gab es auch gleich den Stempel und dazu
das ersehnte Bett.
Plötzlich
stand Hans aus Schweden wieder vor mir. Am Morgen war er vor mir aufgebrochen
und jetzt stand er da. Ich glaube, er war genauso froh wie ich, dass wir es
geschafft hatten.
Die Herberge
war 2011 erst neu eröffnet worden und gut eingerichtet. Als Erstes den
Schlafsack auf
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