Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
können, Menschenverächter und chronische, unkontrollierbare Intriganten. Solche Eigenschaften können ein Kollektiv zerstören. Geiz, Feigheit und Angeberei kann man tolerieren, weil man sie bei den eigenen Entscheidungen problemlos einbeziehen kann. Fehlendes logisches Denkvermögen, Jähzorn, ein mürrisches Wesen oder, im Gegenteil, allzu große Redseligkeit finde ich sogar erheiternd. Meine Flexibilität ist in diesem Punkt wirklich beträchtlich.
Die persönlichen Qualitäten meiner Geschäftspartner waren mir zweifellos wichtig. Vertrauen war hier unabdingbar, denn wir konnten unsere Geschäftsbeziehungen ja nicht in allen Details auf Papier fixieren. Sonst wären wir vor lauter juristischer Beratung zu nichts mehr gekommen.
Absolutes Vertrauen ist für mich eine sehr konkrete Sache. Das sind Beziehungen, in denen ein Verrat den Rest des Lebens sinnlos machen würde, weil ich die betreffende Person nicht aus meinem Leben streichen kann.
Ob es solche Menschen für mich gibt? Ja. Meine Mutter zum Beispiel.
Mythos und Realität
Was die moralische Seite der Ereignisse der neuziger Jahren angeht … Da gibt es die Mythen, und es gibt das reale Leben. Es ist zum Beispiel ein Mythos, dass es nicht ohne Banditen ging. Es ist ein Mythos, dass man brutal sein musste. Das ist eine Lüge. Eine feige Lüge von Leuten, die sich gar kein anderes Leben vorstellen können. Diese Leute haben dieses Leben selbst gewählt.
Wir hatten niemals etwas mit Banditen zu schaffen. Dazu bestand keine Notwendigkeit, wenn man so will. Vielleicht hätte ich mich ja auf einen Kontakt eingelassen, wenn es nötig gewesen wäre, aber es war nicht nötig. Was wäre passiert, wenn wir keine andere Wahl gehabt hätten? Ich weiß es nicht. Ich will nicht mal darüber nachdenken. Vielleicht wäre ich umgebracht worden. Vielleicht hätte ich ausreisen müssen. Vielleicht säße ich jetzt im Kreml. Oder im Haus der Regierung am Krasnopresnenskaja-Ufer.
Die sowjetischen Werksleiter, die plötzlich vor einer Unmenge an Problemen standen, kamen in ihrer Verzweiflung von sich aus mit Kaufangeboten auf uns zu. Wir mussten nicht danach suchen. Und wenn ein Direktor partout dagegen war, ließen wir das Projekt bleiben – wozu sollten wir uns überflüssige Kopfschmerzen einhandeln? Es gab viel mehr Projekte, als wir hätten »verdauen« können.
Wir unterzeichneten Verträge. Ganz offiziell. Standardverträge. Und wenn ein Direktor und sein Team den Vertrag erfüllten, wurde der Kredit zurückgezahlt, wir verdienten daran, und es gab keine Probleme. Wenn ein Direktor uns betrügen wollte oder offensichtlich überfordert war, ließen wir ihn offiziell ablösen. Dabei unterstützten uns sowohl die Gouverneure als auch die föderalen Behörden. Denn wenn ein Betrieb Probleme hat, dann trifft das nicht nur die Bank, sondern auch das Verwaltungsgebiet.
Wobei wir ehrliche Direktoren (wie etwa den von Apatit), selbst wenn wir sie absetzen mussten, finanziell absicherten und nicht einfach ihrem Schicksal überließen. Das heißt, wir fanden eine für beide Seiten annehmbare Form, ihnen ein anständiges Einkommen zu sichern. Der Direktor von Apatit wurde Vertreter des Unternehmens in Moskau (allerdings wechselte er schon bald darauf zu seinen früheren Geschäftspartnern), der Direktor der VNK (der Eastern Oil Company) wurde Verwaltungschef bei Yukos, der Direktor von Yukos wurde nach der Privatisierung Vorsitzender des Yukos-Direktoriums usw. Manchen zahlten wir auch einfach eine Abfindung – zum Beispiel Wladimir Parassjuk, dem Direktor von Yuganskneftegaz. Und unehrliche Direktoren entließen wir einfach. Sich mit uns anlegen? Wie hätten sie das tun sollen – sie hatten doch selbst versagt, und jeder konnte das sehen.
Ich habe nie Angst gehabt, zu einer Belegschaft zu gehen und eine Versammlung abzuhalten. Sicher, ich hätte auf einen »Charismatiker« stoßen können, der stärker gewesen wäre als ich. Unter den Direktoren ist mir aber keiner begegnet. Und wenn das doch passiert wäre, hätten wir sofort eine gemeinsame Sprache und Berührungspunkte gefunden. Er wäre mir von sich aus gefolgt. Von solchen Leuten gab es eher zu wenig.
Die einzige Gefahr waren die »Blutegel«. Diejenigen, die sich am Körper eines sterbenden Unternehmens festmachten und ihm die letzten Säfte aussogen. Ortsansässige Banditen. Die konnten versuchen, uns »abzuziehen«.
Aber die Miliz konnte auch damals gute Arbeit leisten, wenn sie wollte. Und zwar nicht gegen
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