Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Unternehmen wird laufen, und die Städte werden nicht einfrieren. Wenn ihr dagegen seid, auf Wiedersehen. Wenn gestreikt wird, auf Wiedersehen. Und so weiter. Brutal, aber ehrlich: Wenn ihr glaubt, dass irgendwer anders sich mit euch abgeben wird, täuscht ihr euch. Ohne Brennstoff werdet ihr eingeschneit. Bis die Regierung sich an euch erinnert, wird es Frühling. Dann werden sie euch ausgraben. Aber nicht alle.
Das habe ich genau so bei einer Versammlung gesagt. Die Leute hätten mich umbringen können. Das wollten sie erst auch. Aber sie konnten sich nicht durchringen.
Zwei Jahre später produzierte das Unternehmen neun Millionen Tonnen, und ich ging zu Yukos. 94 Nach Kirowsk flog ich nur noch zu Besuch, zum Angeln und zum Urlaub mit Freunden. Fast jedes Jahr. Ich mag das Land jenseits des Polarkreises, die Tundra besonders.
Die Abgrenzung der »Reiche«
Um die Mitte der neunziger Jahre war der Wettbewerb in der freien Wirtschaft nicht sehr scharf. Es gab viele Möglichkeiten, aber wenige Kräfte. Wir kämpften eher um unsere Umfragewerte, als dass wir im marktwirtschaftlichen Sinne konkurriert hätten.
Bis zu den Pfandauktionen gab es, soweit ich mich erinnere, nicht einmal bei den Ausschreibungen große Konflikte. Es gab tausende Unternehmen, aber nur zehn Großbanken, von denen jede Bank Kapazitäten für allenfalls ein paar Dutzend Unternehmen hatte. Und selbst das galt nicht für jede der Banken und jedes Unternehmen. Nein, wir kämpften um die Expansion, aber nicht untereinander. Noch berührten sich die Grenzen unserer »Reiche« nicht.
Wann hat sich das geändert? In meinem Geschäftszweig überhaupt nicht. Im Erdölsektor gab es 2003 noch keine wirklichen Probleme. Wenn jemand einen Streit vom Zaun brach, dann geschah das unüberlegt oder aus übermäßigem Ehrgeiz. Mehr nicht. Die Beziehungen waren bis 2003 sogar besser geworden. Allen war inzwischen klar, dass es gemeinsame Interessen gab. Es mag genügen zu erwähnen, dass ich in einem internen Konflikt zwischen Mitgliedern des Russischen Industriellen- und Unternehmerverbandes als erster Schlichter eingesetzt wurde. So etwas hätte man sich früher nicht einmal vorstellen können!
Bei den Unternehmern, die umgekommen sind, war die Lage anders: Das Problem waren die »Blutegel«, die Schuldner und die »Protektion« ( kryscha ). Diejenigen, die in der Person eines Unternehmers eine Bedrohung für den eigenen Wohlstand sahen. Besonders gefährlich wurde die Situation, wenn jemand keine Distanz hielt, wenn er es zuließ, dass die Sache persönlich wurde, an ein konkretes Individuum gebunden. Ein Standardfehler im Management, für den viele einen allzu hohen Preis zahlen mussten. Es gab den Anschlag auf Boris Beresowski, den Mord an Iwan Kiwilidi 95 … Warum hat es uns nicht getroffen? Zu Beresowski und Kiwilidi kann ich nichts sagen, selbst wenn ich eine Vermutung habe, was vorgefallen ist. Beresowskis Unternehmen war – zumindest damals, am Anfang – bekanntlich weit stärker individualisiert und »ideologisch« geprägt, während es bei mir immer »Anweisungen«, »Protokolle«, »Ausschüsse« und so weiter gegeben hat.
Wer tötet, tut das entweder aus Dummheit (Schlägertypen) oder mit einem konkreten, ganz praktischen Ziel (um seine Schulden nicht zurückzahlen zu müssen oder, im Gegenteil, um etwas zu bekommen, das auch ein anderer für sich beansprucht). Nun, in unserem Fall gab es dieses praktische Ziel nicht. Wir waren eine riesige bürokratische Maschine. Wer wofür verantwortlich war, war ja nicht mal intern immer ganz klar. Und ganz sicher konnte ein einziger Tod diese Maschine nicht zum Stillstand bringen. (Davon konnte die derzeitige Führung in Russland sich ein Bild machen, als sie unser Management ab 2003 nach und nach hinauswarf. Probleme gab es erst, nachdem die ersten hundert gegangen waren).
Nun zu der Behauptung, ich hätte »Blut an beiden Händen«. Putin von etwas zu überzeugen, woran er selbst nicht glauben will, ist unmöglich. Einem Unbeteiligten würde ich empfehlen, einmal zu überprüfen, ob sich auch nur ein einziger Fall findet, wo der Tod oder die Einschüchterung eines Menschen irgendwem bei Yukos einen offensichtlichen, spürbaren Gewinn verschafft hat. Und man soll mir nicht mit Wladimir Petuchow kommen. 96 Das ist ein reines Hirngespinst, ein Produkt von kleinkarierten Vorstellungen.
Was dagegen die Bestechungen und Manipulationen angeht, die man den Unternehmern auch vorwirft, wundere ich mich eher,
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