Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
bereitwillig auf, um ihrem fingierten Material einen gewissen Anstrich von Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Im Team war die Haltung zu Alexej ambivalent, das muss man auch sagen. Er ist ein kluger, guter Kerl, sehr leistungsfähig und gesellig. Aber eine wesentliche Rolle in seinem Leben kam seiner damaligen Frau Olga Mirimskaja zu, einer hochintelligenten, sehr harten Frau. Während Alexej, wie wir alle, dem Geld keine große Bedeutung beimaß, da er sich auf sein Talent verlassen konnte, vertrat sie eine andere Haltung, die sie auch ihm aufzwang: Geld verdienen, seine Schäfchen ins Trockene bringen und ein eigenes, separates Geschäft aufbauen.
Ich will sie nicht verurteilen, heute so wenig wie damals. Seinerzeit habe ich die Interessen der beiden gegenüber unseren Jungs sogar verteidigt. Das ist eben die Natur: Man will seinen eigenen Winkel in der Höhle haben, einen Vorrat an Mammutfleisch für die Jungen … das ist normal. Aber man muss auch den Kontext sehen: Alle anderen setzten ihr gesamtes Vermögen aufs Spiel, alle anderen ließen hundert Prozent ihrer »internen Ressourcen« in das gemeinsame Geschäft einfließen, aber hier bestellte auf einmal jemand sein eigenes Feld. Das hieß, wenn alle Stricke reißen, fangen alle wieder bei null an, nur einer hat seine eigene »Wirtschaft«, und zwar eine, in die er schon jetzt Zeit investiert. Das war ärgerlich.
Ich habe mich darüber nicht aufgeregt, ich bin schließlich selbst ein Pantoffelheld und verstand seine Situation, aber natürlich musste ich die realen Gegebenheiten irgendwie berücksichtigen, deshalb kürzte ich ihm schließlich seinen Anteil am Gesamtgeschäft um zehn Prozent.
Unser Kontakt blieb bis zu meiner Verhaftung und auch danach weiter bestehen. Von den Jungs trennte er sich etwa ein Jahr später. Eine andere Sache ist, dass er schon seit 2000 oder 2001 nicht mehr bei Yukos arbeitete. Das galt freilich nicht nur für ihn. Dubow war ebenfalls gegangen, und Newslin auch. Im Unterschied zu Alexej mussten diese beiden ihre Aktien sogar einem Blind Trust überlassen. 91 Das hieß aber nicht, dass unsere Wege sich trennten. Das kam – mit Golubowitsch – erst später. Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber ich kann es mit ziemlicher Sicherheit vermuten. 92 Die Bande der Staatsanwälte fiel über Golubowitschs – oder besser gesagt Mirimskajas – Familienunternehmen her. Ich glaube, Alexej selbst hätte keine Angst vor dem Gefängnis gehabt, aber über die Vorwürfe seiner Frau konnte er sich nicht hinwegsetzen, und so sagte er aus, was man von ihm verlangte. Diejenigen seiner Aussagen, die ich gelesen habe, sind im Ganzen positiv. Das heißt, im Hinblick auf den Prozess trifft ihn keine Schuld, da Bewertungen für ein Gericht ja keine Rolle spielen. Allerdings, wohlgemerkt, nur für ein wirkliches Gericht – und wo wäre das in unserem Verfahren je aufgetaucht? Bei uns ging es nicht um Rechtsprechung, sondern um reinste Propaganda.
Zum Dank für Golubowitschs Kooperation ließ die Staatsanwaltschaft wieder von seinem Unternehmen ab und ersetzte in ihrer Version der Ereignisse einfach seinen Namen überall durch den Namen »Lebedew«. Viele der Ungereimtheiten, von denen Platon vor Gericht so gern sprach, hingen mit dieser simplen Operation zusammen.
Hat es mich verletzt, wie Alexej sich verhielt? Wahrscheinlich schon, zumal mich die anderen Jungs sanft darauf stießen, dass es meine Position gewesen war, Golubowitsch zu unterstützen. Aber ich bereue das nicht. Das war einfach nur eine vorübergehende Schwäche. Er ist kein Schuft und kein Feigling, er hat sich nur zugunsten seiner Familie entschieden. Offenbar hatte er gerade an der Stelle keine Mutreserven, wo ich zum Beispiel unendlichen Mut schöpfen kann. Das ist, wie es so schön heißt, nicht die Schuld eines Menschen, sondern sein Unglück. Ein weitaus größeres Unglück als das Gefängnis, zumindest in meinen Augen. Deshalb wünsche ich ihm persönlich, dass er mit diesem Unglück fertig wird.
Ob menschliche Qualitäten mir wichtig sind? Natürlich sind sie das. Alles andere wäre auch seltsam. Auf einem anderen Blatt steht, dass ich vielen menschlichen Unzulänglichkeiten gegenüber eher duldsam bin, weil ich selbst mehr als genug davon habe. Manche dieser Schwächen stören mich auch bei sehr nahen Menschen nicht, anderen gehe ich lieber aus dem Weg. Bei der Arbeit sind sie jedoch nicht hinderlich.
Schwer zu tolerieren sind für mich Leute, die ihr Wort nicht halten
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