Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
heute, und wir zahlten damals auch keine Dividenden aus. Es war ein »schlummernder Schatz«, dessen Wert nicht jedem bewusst war.
Leonid und er waren offensichtlich Rivalen. Hätte unser Tätigkeitsfeld hauptsächlich im kreativen Bereich gelegen (Werbung, Producing und dergleichen mehr), dann wäre es wunderbar gewesen, zwei solche Teams zu haben. Unser Metier waren aber Industrie und Finanzen. Public Relations hatte für uns eine rein sekundäre Bedeutung, und damit war eine solche Konkurrenz fehl am Platz.
Leonid hätte auf diesen Teil seiner Tätigkeit verzichten können, da er (als erster Vize) auch viel anderes zu tun hatte, aber er wollte nicht – er mochte diesen Bereich. Ich musste also eine Entscheidung treffen, und das tat ich auf ganz mechanische Weise: Wenn bei mir ein Untergebener nicht mit seinem direkten Vorgesetzten arbeiten will, und ich mit dem Vorgesetzten zufrieden bin, muss der Untergebene gehen. Als Leonid einige Jahre später die Firma verließ, bot ich Slawa übrigens umgehend an zurückzukommen. Er hatte jedoch schon andere Verpflichtungen.
Wir blieben in Kontakt. Unser Verhältnis war immer eine reine Arbeitsbeziehung gewesen, geprägt von gegenseitigem Respekt – deshalb konnten wir es weiter aufrechterhalten. Außerdem mochte meine Frau Slawa. Ihre Meinung war mir wichtig, sie ist bei uns die »Intuitive«, ich bin ein reiner Logiker.
Zum Thema Vertrauen: Slawa tut immer, was er verspricht. Nichts anderes als das bedeutet Vertrauen in der Arbeit. Slawa Surkow ist ein Skalpell. Wenn jemand dieses Skalpell in böser Absicht einsetzt, ist das schlecht, aber meine Einschätzung zur Qualität des Skalpells ändert sich deshalb nicht: Der Stahl ist ausgezeichnet, und die Schärfe der Klinge überragend.
Heute sind Surkow und ich – aus verständlichen Gründen und in allgemein bekannten Dingen – Gegner. Leider. Doch meiner Familie gegenüber hat er es nach meiner Verhaftung verstanden, die persönlichen Beziehungen von den beruflichen zu trennen – das ehrt ihn.
Die »roten Direktoren« und die neue wirtschaftliche Realität
Unsere Werbekampagne trug Früchte: Man kam nun zu uns als einer Investmentbank, um Unterstützung beim Kauf von Staatsbetrieben und deren Umstrukturierung zu bekommen.
Natürlich hatten die Kunden, abgesehen von den Betrieben, um die es ging, keinerlei Sicherheiten, weshalb wir nicht nur den Wert eines Unternehmens bewerten mussten, sondern auch, ob es rentabel wirtschaften konnte. Ausschlaggebend dafür waren drei Faktoren: die grundsätzliche Wettbewerbsfähigkeit, ein ordentliches Management-Team und ob es den Finanzierungsbedarf für den Start schultern konnte.
Die erste Frage wurde von unseren Investment-Analysten geklärt. Das ging nicht ohne Fehler ab, lief aber im Ganzen nicht schlecht. Die zweite und dritte Frage hingen jedoch zusammen, und hier kam das Problem des katastrophalen Mangels an qualifizierten Management-Leuten ins Spiel. Das, was uns die »roten Direktoren« und die an ihren Futtertrögen sitzenden Gauner (soweit es sie schon gab), zu bieten hatten, war jenseits von Gut und Böse.
Man muss dazu wissen, dass die sowjetische Volkswirtschaft ganz anders aufgebaut gewesen war. Für den Absatz war Gossnabverantwortlich. Um die Versorgung kümmerten sich Gosplan und Gossnab und um die Finanzierung die Staatsbank Gosbank (Promstrojbank). Die Planung war Aufgabe des Fachministeriums, das auch für die Wissenschaft und andere Bereiche zuständig war. Vom Export will ich schon gar nicht reden. Im Grunde genommen war ein »roter Direktor« damit nicht viel mehr als der für die Produktion verantwortliche Leiter einer Werkshalle.
Natürlich gab es immer wieder sehr begabte Leute unter diesen Direktoren, aber sie wurden irgendwann beinah zwangsläufig von irgendeinem Ministerium rekrutiert. So war es bei Wagit Alekperow und Leonid Filimonow. 90 Die Übrigen dagegen waren auf die neue wirtschaftliche Realität, in der sie plötzlich Unternehmer werden sollten, absolut nicht vorbereitet.
Einige waren sich dessen bewusst und ließen gern uns und unseresgleichen ans Steuer, während sie selbst sich wieder der Fertigung und der Produktion (dem Day-to-Day-Management ) zuwandten. Andere waren dafür zu ehrgeizig, und wieder andere waren schon in der Hand von Banditen oder hatten sich selbst längst ans Stehlen gewöhnt. Von solchen Leuten musste man sich verabschieden.
Als Bank haben wir Dutzende von Projekten für ganz passable Management-Teams
Weitere Kostenlose Bücher