Mein Weg zum Herzkind
aber ungewollt. Nach der Trennung von ihrem Ehemann ist Marianne als alleinerziehende Mutter leider ins finanzielle Minus geraten. Marianne ist geflohen. Weit weg von ihrer Heimat und ihrem alten Leben. Jetzt muss sie mit ihren drei Kindern im Osten Deutschlands mit Hilfe von Hartz IV über die Runden kommen. Ihren neuen Freund hat sie noch nicht lange, doch der Mann fürs Leben ist er sicher nicht. Er will das Kind, das in Mariannes Bauch wächst, nicht haben. Marianne ist verzweifelt. Fast vierter Monat, und sie hat nichts von ihrer Schwangerschaft gespürt. Ohne diese Routineuntersuchung wüsste sie wahrscheinlich immer noch nicht, dass Leben in ihr wächst. Der Frauenarzt gibt ihr nur zwei Tage, um über Leben und Tod des Kindes – ihre Zukunft – zu entscheiden. Sehr verzweifelt sucht sie Rat bei ihrer Mutter, tauscht sich immer wieder mit ihr aus. Hier darf sie weinen, hier darf sie schwach sein. Für ihre Kinder muss sie schließlich die große, starke Mama bleiben. Ihre Gefühle fahren Achterbahn. Aber Marianne trifft eine Entscheidung: Sie will das Kind austragen, aber nicht behalten. Überzeugt von ihrem Weg aus dem Dilemma sucht sie das Jugendamt auf. In der Adoptionsvermittlungsstelle begegnet sie
zum ersten Mal fremden Menschen, denen sie von ihrem Unglück erzählen will. Ein schwerer Gang. Beklommen nimmt sie in einem Raum mit zwei Frauen Platz. Marianne versucht entschlossen zu klingen und berichtet von dem Wunsch, das Kind, das langsam in ihrem Bauch wächst, zur Adoption freizugeben. Sie kann sich kein weiteres Kind leisten. Nicht finanziell, nicht physisch und auch nicht psychisch. Sie fühlt sich unendlich alleingelassen von ihrem Partner. Er streitet sogar ab, der Vater zu sein. Ein Satz – mehr als ein Vertrauensbruch für eine liebende Frau. Das Kind in ihrem Bauch soll leben, aber nicht bei ihr. Marianne möchte, dass es dem kleinen Wesen gut gehen wird. Sie wünscht sich nichts mehr als unendliche Liebe für ihr Kind.
Die Damen des Jugendamtes schildern der jungen Frau ihre Möglichkeiten, zeigen ihr andere Auswege auf. Sprechen von Pflegschaft für das Kind, von Alternativen, von Unterstützung im finanziellen Bereich, von Erziehungshilfe. Sie klären Marianne über den weiteren Fortgang auf. Doch Marianne ist geistesabwesend. Sie nimmt die vielen Angebote kaum wahr. Ihr Entschluss steht doch schon fest: Adoptionsfreigabe. Und eigentlich möchte sie nur nach Hause. Zu ihren Kindern.
Herzmama gesucht
Wie vereinbart schaut Marianne immer mal wieder in der Adoptionsvermittlungsstelle vorbei. Bekräftigt ihren Entschluss zur Freigabe und bespricht die weitere Vorgehensweise. Ihr Bauch wächst. Sie als abgebende Mutter darf sich eine Mutter für ihr
Kind wünschen. Sie darf sich Eltern aussuchen. Sie kann den Sozialarbeitern sagen, was sie sich für ihr Kind vorstellt, wohin das Kind vermittelt werden soll, ob es in einer Stadt oder ländlich leben darf. Sollte es Geschwisterkinder geben oder lieber nicht? Was für eine Mutter stellt Marianne sich für ihr Kind vor? Wie soll das zukünftige Leben in etwa aussehen? Aus vielen, vielen Bewerbungen, teilweise mit Bildern, könnte Marianne wählen. Die Sozialarbeiter unterstützen sie mit ihrem Wissen zu all den geprüften Adoptivbewerbern. Marianne hat keine Wünsche. Nur eines ist ihr wichtig – Liebe. Ihr Kind soll zu Menschen kommen, die es von Herzen lieben können. Lieben – so, wie es einmal sein wird. Lieben – mit seiner Geschichte.
Als Marianne erfährt, dass eine Familie gefunden wurde, ist sie sehr froh. Sie wollte ihrem Kind eine Pflegschaft ersparen. Wollte nicht, dass es vielleicht von Familie zu Familie gereicht wird. Wollte, dass es einen festen Platz in einer Familie bekommt und dort ein hoffentlich glückliches Leben führen kann.
Gleich nach der Entbindung wird ihr Kind in den Armen seiner neuen Mama liegen. Die nötigen Vorbereitungen sind getroffen, alle Papiere ausgefüllt.
Die Nacht zum 24. Dezember 2007 ist ungemütlich und kalt. Eine Front mit Eisregen zieht von Westen her über Deutschland und in Halberstadt bleiben die Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit sind die Bäume mit Reif überzogen, und im nahen Harz fällt Schnee. Mariannes Familie hat die Heizungen in dem alten Plattenbau ganz aufgedreht, sodass es gemütlich und fast ein wenig überhitzt in der 3-Zimmerwohnung ist. Die beiden Hunde schlafen auf ihrer Decke im
Flur, die drei Kinder sind spät ins Bett gegangen,
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