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Mein wildes Herz

Mein wildes Herz

Titel: Mein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Kat
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seidengefütterten Umhang und Krista aus ihrem Kaschmircape mit Kapuze.
    „Es war ein langer Abend“, sagte sie. „Ich gehe zu Bett.“ Sie raffte ihre weiten Röcke und begann, die gewundene Treppe hinaufzusteigen. Dann wandte sie sich noch einmal um. „Kommst du nicht, Vater?“
    „Gleich. Da ist doch dieser altnordische Text, an dem ich gerade arbeite. Es gibt dort einen Abschnitt, den ich mir noch einmal anschauen möchte, bevor ich mich zur Ruhe begebe. Es dauert nur einen Moment.“
    Krista wusste, wie lange die „Momente“ ihres Vaters dauern konnten. Sie erinnerte ihn daran, dass er seinen Schlaf brauche, wusste jedoch, dass es zwecklos war. Genauso leidenschaftlich, wie sie sich ihrer Zeitung widmete, widmete sich ihr Vater seinen Studien.
    Sie dachte an den Artikel, den sie am nächsten Morgen noch beenden musste, bevor das Blatt in Druck ging, und stieg die Treppe hinauf.
    Das dreistöckige Backsteinhaus, das Heart to Heart, die wö chentliche Gazette für die Dame beherbergte, befand sich in einer schmalen Straße ganz in der Nähe des Picadilly. Die Seele der Zeitung, die schwere Stanhope Druckpresse, eine der modernsten Pressen der Zeit, stand neben einer Kiste, in der Metalllettern lagerten, Buchstaben, Nummern und Zeichen, die zum Drucken gebraucht wurden.
    Krista ging zu der Holzkiste hinüber. Sie hatte den Artikel für diese Wochenausgabe beendet und abgesehen von einer winzigen Änderung konnte sie am nächsten Morgen in Druck gehen.
    Außer Krista, ihrem Vater und Corrie gehörten zur Belegschaft noch Bessie Briggs, die sich hauptsächlich um den Drucksatz kümmerte, ein Drucker namens Gerald Bronner, sein junger Lehrling Freddie Wilkes und einige Teilzeitkräfte, die all das erledigten, was notwendig war, damit die Zeitung die Abonnenten erreichte.
    Wie immer, bevor die Gazette in Druck ging, arbeitete die Belegschaft noch bis spät in die Nacht. Draußen war es schon lange dunkel. Kaum jemand war noch auf den Straßen, und von der Themse blies ein scharfer Aprilwind herüber. Krista stand bei der Druckerpresse und setzte eine Reihe Lettern ein. Als draußen auf dem Kopfsteinpflaster vor dem Fenster der Druckerei Schritte zu hören waren, drehte sie sich um. Glas splitterte, und eine der Frauen schrie auf, als ein schwerer Ziegelstein in den Raum flog und dabei Kristas Kopf nur um ein paar Zoll verfehlte.
    „Gütiger Himmel!“, keuchte Corrie.
    Der Ziegel krachte auf den Boden und schlitterte noch ein Stück weit, während Krista zum Fenster lief.
    „Kannst du ihn sehen?“ Corrie eilte zu ihr. „Erkennst du, wer es war?“
    Das Licht einer Laterne etwas weiter unten an der Straße beschien einen Burschen in Kniehosen aus grobem Stoff, der blitzschnell davonrannte. Einen Augenblick später war er um die nächste Ecke verschwunden.
    „Es war nur ein Junge“, sagte Krista und wandte sich vom Fenster ab, wobei sie sich mit einem Lumpen die Druckerfarbe von den Händen wischte. „Er ist schon fort.“
    „Schau, da ist eine Botschaft!“ Vorsichtig kniete Corrie sich zwischen den Glasscherben auf den Boden und löste ein Stück Papier von dem Ziegel, das mit einem Stück Schnur daran festgebunden war.
    „Was steht darauf?“ Krista trat neben sie.
    Corrie strich das zerknitterte Papier glatt. „Halte dich aus Männergeschäften raus. Wenn nicht, wirst du dafür bezahlen.“
    Krista seufzte. „Jemand muss den Jungen dafür bezahlt haben.“ Es war nicht die erste Warnung, die Heart to Heart erhielt, seitdem Krista den Schwerpunkt der Zeitung etwas verändert hatte. Es gab jetzt auch Leitartikel und Berichte über Erziehung und soziale Themen.
    Zusammen mit den üblichen Artikeln über Mode und häusliche Themen hatte es letzte Woche auch einen Artikel gegeben, der Mr. Edwin Chadwicks Bericht über die Hygienebedingungen lobte. In diesem Bericht forderte Chadwick Verbesserungen des Londoner Abwassersystems und sauberes Wasser aus allen Wasserleitungen. Er glaubte, dass solche Veränderungen bei der Verhütung von Krankheiten eine Rolle spielen würden.
    Der Kosten verursachende Vorschlag war bei den Wassergesellschaften, den lokalen Obrigkeiten und den Steuerzahlern äußerst unpopulär, und sie hielten dagegen, dass sie das Geld für solche Verbesserungen nicht aufbringen könnten.
    „Es wird immer jemanden geben, der nicht unserer Meinung ist“, sagte Krista zu Corrie und nahm ihrer Freundin das Papier aus der Hand.
    „Du wirst diese Botschaft doch deinem Vater zeigen, nicht

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