Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein wildes Herz

Mein wildes Herz

Titel: Mein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Kat
Vom Netzwerk:
Es gab zwei Tanzbären, die rote Satinröckchen mit passenden Hüten trugen, und ein paar entzückende Affen, die schnatternd die Zeltstangen hinaufkletterten. Die jungen Frauen sahen Jongleuren, Akrobaten, einem Paar lustig gekleideter Clowns und drei Kunstreitern zu, die auf den Rücken galoppierender Pferde ihre Sprünge und Saltos zeigten.
    Der Geruch nach Sägemehl erfüllte die Luft, und der Klang einer Zirkusorgel wehte über das offene Feld, zusammen mit den Rufen der Marktschreier, die vor dem Hauptzelt ihre Waren verkauften. Es war eine interessante Art, den Nachmittag zu verbringen, doch Krista verwunderte es ein wenig, wie heruntergekommen alles aussah.
    Beim näheren Hinsehen waren die prächtigen Kostüme abgenutzt, der große Apfelschimmel alt und tattrig. Die Zirkusleute selbst schienen geschwächt zu sein und hatten allem Anschein nach schon bessere Tage gesehen.
    Trotzdem war der Zirkus eine Neuheit in London, ein Ereignis, das den Frühling ankündigte.
    „Ich würde gerne dem Besitzer ein paar Fragen stellen“, sagte Corrie, die entschlossen war, alles in einem positiven Licht zu zeigen. „Er heißt Nigel Leopold. Lass uns schauen, ob er in seinem Wagen ist.“
    Sie gingen in die entsprechende Richtung. Corrie ließ den Blick schweifen und notierte sich im Geiste alles, was sie sah. Sie besaß ein erstaunliches Gedächtnis für Einzelheiten. Das war auch einer der Gründe, warum sie in ihrem Beruf so gut war.
    „Mir haben die Bären wirklich gut gefallen“, sagte sie. „Sie schienen den ganzen Tanz über zu lächeln.“
    Krista sagte nichts dazu, doch als sie an dem Käfig vorbeigegangen war, hatte sie gesehen, wie der Dompteur den Tieren die Lippen mit einer dünnen Schnur zurückgebunden hatte.
    Als sie sich umsah, bemerkte sie einige Darsteller, die zu ihren Wagen gingen, um sich auf den nächsten Auftritt vorzubereiten. Einer der Dompteure führte fünf große graue Pferde fort.
    „Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Zirkus“, meinte Krista. „Alles scheint ein wenig … schäbig zu sein.“
    „Ja, das habe ich auch schon bemerkt. Das viele Herumreisen ist vermutlich ziemlich hart für die Pferde und schadet der ganzen Ausstattung.“
    „Vermutlich.“ Doch es bedrückte Krista, dass alle Tiere in einer so schlechten Verfassung zu sein schienen. Bei den Ponys konnte man durch das dicke Winterfell hindurch die Rippen sehen, und die Bären ließen die Köpfe hängen, als hätten sie gar nicht mehr die Kraft, sie zu heben.
    Krista und Corrie bahnten sich ihren Weg durch die Menschenmenge, die aus dem Zelt strömte, und bemerkten, dass sich vor einem der bunt bemalten Zirkuswagen eine Gruppe bildete. An dem Wagen waren Käfigstäbe angebracht, und Krista fragte sich, was für ein Tier dort wohl gehalten wurde.
    „Lass uns sehen, was es dort gibt“, sagte Corrie und zog ihre Freundin in die Richtung. Sie waren ein seltsames Paar: die eine klein, die andere groß; die eine blond, die andere mit feuerrotem Haar. Und doch waren sie schon seit Langem die besten Freundinnen.
    Da Krista so groß war, konnte sie selbst von ihrem Standort aus erkennen, dass die Kreatur in dem Käfig keinesfalls ein Tier war. Über dem Käfig stand geschrieben: „Der Letzte Barbar“. Und darunter: „Vorsicht! Näher treten auf eigene Gefahr!“
    „Das ist er!“ Corrie schrie fast. „Komm, lass uns näher hingehen.“
    Ja, das war der Mann, den Kristas Vater erwähnt hatte. Er stand vornüber gebeugt in dem Käfig, der zu niedrig war, als dass er sich hätte aufrichten können, und war bis auf ein Fell, das ihm als Lendentuch diente, nackt. Wie ein Verrückter rüttelte er an den Gitterstäben. Krista sah, dass ein bulliger Mann mit einer Narbe über der Wange einen langen spitzen Stab schwang, mit dem er immer wieder auf ihn einstach.
    Der an Händen und Füßen gefesselte Mann im Käfig tobte und wütete. Krista war überzeugt, dass er fluchte, auch wenn das Kauderwelsch, das er von sich gab, keinen Sinn machte.
    Doch er war sicher keine sieben Fuß groß, noch war sein Körper mit dichtem blondem Haar bedeckt. Trotzdem war er größer als jeder Mann ihres Bekanntenkreises, hatte langes, zotteliges Haar, das ihm über die breiten Schultern fiel, und einen ungekämmten Bart, der bis zu seiner Brust reichte, auf der dick die Muskelstränge hervortraten. Auch seine Arme und Schenkel waren muskulös und seine Augen …
    Selbst aus dieser Entfernung konnte sie die Wildheit darin erkennen, den brennenden Hass,

Weitere Kostenlose Bücher