Mein wirst du bleiben /
nicht allein lassen mit diesem« – sie senkte die Stimme –, »diesem Terroristen da oben!«
»Frau Zenker, Atiq Nazemi ist kein Terrorist.« Er dachte an Freitags Drohungen dem Klatschweib gegenüber:
bis zu zwei Jahre Gefängnis wegen Verleumdung und übler Nachrede,
und musste ein Grinsen unterdrücken. »Und wenn Sie das noch ein einziges Mal behaupten, dann fahren Sie ein!«
Augenblicklich zog sie ihre Hand zurück. Ihr Mund klappte auf und zu. »Einfahren?«
Er beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte: »Knast. Da sind Sie sicher vor ihm.«
Sie schlug die Hand vor den Mund und murmelte: »Wenn das mein Mann noch erlebt hätte, Gott hab ihn selig«, und dann kullerte eine Träne über ihre Wange.
»Frau Zenker«, beeilte er sich zu erklären, »es besteht keine Gefahr für Sie. Machen Sie sich keine Sorgen.«
»Können Sie nicht wenigstens Herrn Franz … Er ist doch ein starker Mann und kann …« Sie sah ihn flehend an. »Ich habe auch zufällig gerade einen Kuchen gebacken.«
»Polizeihauptmeister Franz ist leider nicht mehr im Dienst bei uns.« Leider für dich, zum Glück für uns, dachte er. Stefan Franz musste sich einem Disziplinarverfahren wegen grober Verletzung der Dienstpflicht stellen. Eine Abmahnung war bereits auf seinem Tisch gelandet. Ihm drohte die Versetzung in die Registratur, eventuell im Polizeiposten Löffingen oder Titisee-Neustadt. Die Kollegen dort beneidete Ehrlinspiel nicht. Außerdem musste Franz mit einer Gehaltskürzung und Degradierung rechnen. Seinem Heldenstatus bei Zenker wäre das kaum zuträglich.
»Ich wusste es!« Sie strahlte und sagte dann versonnen: »Herr Polizeidirektor Stefan Franz. Das klingt prima, finden Sie nicht? So ein Mann muss ja Karriere machen!« Sie legte den Kopf schief, der Haarturm saß wie immer unbeweglich. »Wo arbeitet er denn jetzt?«
Noch bevor der verdutzte Hauptkommissar etwas erwidern konnte, griff sie erneut nach seinem Unterarm. »Darauf müssen wir einen Kaffee trinken! Polizeidirektor Stefan Franz!« Sie seufzte. »Es ist eine Schwarzwälder Kirschtorte mit extra viel« – sie hob die freie Hand zum Mund, tat, als trinke sie etwas, und zwinkerte –, »Sie wissen schon: Kirschwasser.«
Ehrlinspiel stöhnte leise auf. »Es tut mir wirklich unendlich leid, Frau Zenker, aber –«
»Jaja, Sie sind ein vielbeschäftigter Mann, ich weiß. Und der Herr Polizeidirektor Franz auch. Immer im Dienst für unser Volk. Ich verstehe das. Aber dann müssen Sie unbedingt Kuchen mitnehmen. Ich packe Ihnen etwas ein für den feschen Kollegen. Und für Sie natürlich auch.« Sie trippelte in ihre Wohnung, und Ehrlinspiel rief ihr nach: »Das ist wirklich nicht nötig, Frau Zenker, wir –«
»Keine Widerrede!« Ihre piepsende Stimme vermischte sich mit dem Aroma von Raumerfrischer und zuckriger Süße.
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D as wäre aber nicht nötig gewesen.« Sonja Paschek bot Ehrlinspiel einen Stuhl an.
»Sie nehmen mir die Worte aus dem Mund.« Er stellte den Kuchenteller auf den gelben Tisch. Von den Stücken floss weiße, klebrige Flüssigkeit, der Rest der Sahne, die Zenker noch daraufgetürmt hatte und die sich trotz Klimaanlage im Wagen ihren Weg bis auf den Beifahrersitz gesucht hatte. Zenkers Vermächtnis, hatte der Kriminalhauptkommissar gedacht und mit einem Taschentuch die Bescherung noch verschlimmert. »Selbstgemacht«, grinste er. »Von Britta Zenker.«
Sonja fuhr sich durch das Haar. »Sie wird sich nie ändern.« Es war jetzt hellbraun und kurzgeschnitten. Sie musste seinen Blick bemerkt haben, denn sie sagte: »Gefärbt im Originalton. Jetzt bin ich wieder ich.«
»Nicht ganz.« Er schob den Kuchen beiseite, hob die Tragetasche auf den Tisch und entnahm ihr einen Flakon
Kenzo Amour.
Sie nahm ihn in die Hand wie einen Schatz. »Danke.«
»Ich habe alles mitgebracht, um was Sie mich gebeten haben.« Er stellte die beiden Tonengel aus Miriams Küche vor sich und legte das Buch mit den Schauspielerinnen-Porträts daneben. Dann sah er sich kurz um. Er kannte das Apartment mit der kleinen Terrasse und dem integrierten Küchenbereich, in dem sie jetzt saßen, gut. Es war sauber und hell, praktisch eingerichtet mit einem IKEA -Bett, einem blau-weiß gestreiften Sofa und zwei ebensolchen Sesseln. Der Besitzer war ein Bekannter, und es lag in Horben, nur ein paar Straßen von Ehrlinspiels Schwester Leah entfernt. Schon mehrfach hatten sie es für die vorübergehende Unterbringung von Opfern genutzt. Jetzt hatte Sonja Paschek es
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