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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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neuer Kitsch. Sie hörte Geschrei. Schritte. Getrampel. Zur Hölle, dachte sie, nicht einmal hier oben hat man seine Ruhe. Sie würde sich bei dem alten Rauschebart beschweren.
    Dann krachte etwas gegen die Wand, und sie hörte Moritz’ Stimme. Da bekam sie Sehnsucht nach der Erde. Nach Kora, nach der Alster und den Cafés in Hamburg, nach der Sonne und verrückten Wolken und dem, was sie war und liebte.

[home]
47
    Freitag, 20. August
    E hrlinspiel parkte vor dem Bauernhaus und schlug den Kofferraum zu. Kora griff resolut nach Hannas Reisetasche, die Ehrlinspiel nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus gepackt hatte. Es war kurz vor elf Uhr, die Sonne stand hoch am Himmel, und Ehrlinspiel atmete den Duft seiner Kindheit auf dem Land ein. Gras, Kuhstall, Äpfel. Noch immer war der Morgen vor fast einer Woche präsent – und er war durcheinander, wenn er daran dachte, wie er auf die Empore der Kirche gerannt war. Wie er die Tür neben der Orgel aufgeschlossen hatte, wo der Saxofonkoffer lag – daneben ein blutiges Küchenmesser. Wie die Hitze in der Kammer ihm wie eine Wand entgegenschlug und ihm den Atem nahm. Er tastete nach dem Lichtschalter, drückte darauf – sah Hanna leblos auf dem Boden liegen, und sein Herz stand für eine Sekunde still. Ihr Kopf war seltsam verdreht, ein weißes Tuch schlang sich um ihre Hüfte, an einer Seite blutdurchtränkt. Er kniete sich neben sie, wagte nur ihre Hand anzufassen, weil ihr Hals verletzt schien. Ihre Finger glühten, waren feucht, und er wollte daran glauben, dass sie mit so einem warmen Körper nicht tot sein konnte. Doch die beiden heißen Heizkörper sagten ihm, dass auch ein toter Mensch hier nicht auskühlen würde.
    Sekunden später schickte der Notarzt ihn aus dem kleinen Raum hinaus. Kurz danach traf der Mantrailer ein, und als die Sanitäter die Trage rumpelnd in den Krankenwagen schoben und die Tür hinter Hanna schlossen, war Ehrlinspiel auf eine unerfindliche Art zufrieden gewesen, dass er und nicht der Hund sie gefunden hatte – auch wenn es letzten Endes kein großes Kunststück mehr gewesen war.
    Jetzt öffnete er die Beifahrertür seines Wagens. Er half Hanna heraus, und beim Anblick ihrer beigen Halskrause dachte er, dass die nicht das Einzige war, was sie in nächster Zeit an Freiburg erinnern würde. »Gab’s die nicht in Rosa?«, fragte er in dem Versuch, seine Unsicherheit in einen Scherz zu packen.
    Hanna lächelte, doch aus ihren dunklen Augen sprachen Kummer und Schmerz, und Ehrlinspiel wusste nicht, ob sie körperlicher oder seelischer Art waren. »Sie sieht immerhin aus wie das Fell von Bentley und Bugatti. Das sollte dir doch gefallen!«
    Er musste lachen, und einen Moment sah er sie mit skeptisch geschürzten Lippen auf seinem Sofa sitzen und Bentley streicheln, der ihr vertrauensselig auf den Schoß gesprungen war und sich dort zusammengerollt hatte. Bugatti hatte den Eindringling in sein Reich nie näher an sich herangelassen als zum Beschnuppern der ausgestreckten Hand. Er brauchte wohl noch Zeit. Oder hätte sie gebraucht, dachte Ehrlinspiel.
    Kora trat neben die beiden. Sie war fast so groß wie Ehrlinspiel und gebaut wie eine Athletin. Ihr Haar fiel in honigfarbenen Locken bis auf ihren Hintern. »Danke, Moritz«, sagte sie, »fürs Abholen, fürs Besuchen – und dass du mich gleich verständigt hast.«
    »Du bist Hannas Nummer eins.«
    »Aber nicht ihr Kommissar.« Kora grinste Hanna zu. Ehrlinspiel hatte Kora erzählt, dass er ihre SMS gelesen hatte.
Viel Spaß mit »deinem« Kommissar ;-) Schwebt auf Floccus-radiatus-Wolken, aber komm ja wieder nach Hause. Miss you, K.
Weitere Nachrichten hatte er nicht gelesen, und was die Freundinnen in den langen Stunden an Hannas Krankenbett geredet hatten, wollte er lieber auch nicht wissen.
    Als habe Hanna seine Gedanken erahnt, sagte sie: »Du kannst nichts für meine Katastrophen, Moritz. Ich bin einfach … zu neugierig. Und mir fehlt so etwas wie ein Angst-Gen.«
    Kora schulterte die Reisetasche und zeigte zu dem kleinen Fenster hinauf, in dem ein Blumenstrauß stand. »Ich mach schon mal Kaffee. Du auch einen, Moritz?«
    Er verneinte. Er hatte noch etwas zu erledigen.
    »Okay dann.« Kora küsste ihn auf die Wange und drückte kurz seine Hand, so als wolle sie ihm signalisieren: nur nicht den Mut verlieren. »Wir sehen uns!« Dann stieg sie die Außentreppe zu Hannas Ferienwohnung hinauf.
    Auf Hannas dunkelbraunem Haar glitzerte die Sonne. Sie war ein wenig schmaler im Gesicht

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