Mein wirst du bleiben /
Augenblick dort geruht hatten. Kein Wunder, dass sie die Tür noch im Moment des Klingelns geöffnet hatte. »Sie haben Ihren Nachbarn nach Hause kommen sehen am Montag, nicht wahr? Wann genau?«
»Um zehn nach vier.« Sie sah auf die unangetasteten Kuchenstücke. »Jetzt essen Sie doch. Er ist ganz frisch. Ihr Kollege hat sich nicht so geziert. Wo ist er eigentlich? So ein netter Herr! Er erinnert mich an meinen verstorbenen Gatten, Gott hab ihn selig.« Sie bekreuzigte sich erneut.
»Herr Franz ist … terminlich verhindert.« Ehrlinspiel beobachtete Freitag, der wieder schmunzelte. »Leider. Aber wir sollen Sie recht herzlich grüßen.«
»Mein Mann war auch Jäger. Er hat so viele Preise gewonnen. Er war ein stolzer Mann!« Sie schob Ehrlinspiels Teller noch näher vor ihn. »Jetzt essen Sie doch!«
Er nahm die Gabel wieder auf. »
Auch
ein Jäger?«
Sofort erschien die Verschwörermiene auf ihrem spitzen Gesicht. »Er hat alles erlegt. Rotwild, Schwarzwild. Einmal sogar einen tollwütigen Hund!« Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. »Genauso wie der Herr Franz Verbrecher erlegt.«
»Ach, das hat er Ihnen gesagt?« Ehrlinspiel trank einen Schluck Kaffee und verzog den Mund. Kondensmilch!
»Natürlich. Wir haben uns gleich gut verstanden. Immerhin haben wir« – sie bekreuzigte sich und sah zu Boden – »zusammen vor dem toten Herrn Gärtner gestanden.«
Und das hat dich so schrecklich mitgenommen, dass du hinterher mit Franz in aller Seelenruhe ein Kaffeekränzchen veranstaltet und dich darüber ereifert hast, dass dein Nachbar aufgeräumt hat, dachte Ehrlinspiel und sagte in bestem bedauerndem Tonfall: »Das war bestimmt ganz furchtbar für Sie.«
Sie zog laut die Nase hoch und nickte.
»Haben Sie außer Gärtner noch andere Leute kommen und gehen sehen? Am Montag oder am Sonntag vielleicht?« Er schielte zu dem Samtkissen.
»Keinen Menschen!«
»Sie haben nichts gehört, beobachtet, einen fremden Geruch wahrgenommen?«
»Gehört! Ja, diese Klavierspielerei da oben! Sagen Sie, kann man da eigentlich Anzeige erstatten? Und dann haben wir ja dieses Studentenpärchen da mit diesem Balg.« Sie senkte ihre Stimme. »Der Vater ist Ausländer! Irgend so was Dunkles. Wenn der uns nicht eines Tages das ganze Haus in die Luft sprengt. Und die Mutter, die hat in der Schwangerschaft geraucht. Das müssen Sie sich mal vorstellen, erst lässt sie sich von so einem Terroristen ein Kind machen, und dann –«
»Sie haben einen Schlüssel von Gärtners Wohnung«, unterbrach Freitag sie. »Seit wann?«
»Schon immer. Als Hausmeisterin muss ich doch nach dem Rechten schauen. Sie sehen ja, was passieren kann. Herr Gärtner wohnte seit mehr als zwanzig Jahren hier.«
»Hat außer Ihnen noch jemand einen Schlüssel? Freunde von Gärtner, andere Nachbarn, Verwandte?«
Britta Zenker legte die Hände auf die Tischkante. Leise sagte sie: »Ich bin die Einzige! Familie hat der nicht gehabt. Als mein Mann noch gelebt hat, haben die im Treppenhaus manchmal ein bisschen geredet. Nicht viel. Gärtner hat ja nie viel gesagt. Aber dass da keine Familie war, das hat er mal erwähnt.«
Das entsprach auch ihren Kenntnissen. »Und Freunde? Leute, die ihn besucht haben?«
»Wissen Sie, es ist ja nicht so, dass ich mich groß darum kümmere, was andere den lieben langen Tag tun. Geht mich ja auch nichts an, nicht wahr.« Sie wartete, doch weder Ehrlinspiel noch Freitag bestätigten ihre Worte. »Aber Besuch? Nein, der Gärtner hat nie Besuch gehabt.«
»Auch keine Nachbarn? Am Dienstag sagten Sie, er hätte aufgeräumt. War das etwas Besonderes? Könnte es sein, dass er jemanden erwartet hat?« Bei dieser Frau schlug die Realität das Klischee einer Klatschbase im Haus um Längen.
Sie rutschte auf dem Sessel hin und her. »Man soll ja nichts Böses sagen über Tote. Aber der Gärtner, nein, der war nicht ordentlich! Er hat nur selten Staub gesaugt, und nass gewischt hat er überhaupt nie. Und in der Küche hat sich tagelang das dreckige Geschirr gestapelt. Ne, ne, so einer wär
mir
nicht ins Haus gekommen. Wenn ich hier Vermieter wäre, dann –«
»Woher wissen Sie denn, wann er wie geputzt hat?« Freitag stand auf, schob die Hände in die Hosentaschen und schlenderte zum Fenster.
Zenker sah stumm zu Ehrlinspiel. »Ja?«, hakte der nach.
Sie nahm die Hände von der Tischkante und knetete ihre Finger im Schoß.
»Hören Sie, wenn Sie bei ihm in der Wohnung waren, sollten Sie das schleunigst sagen. Es interessiert uns
Weitere Kostenlose Bücher