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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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in das sonnige Zimmer, auf die dünne Zudecke am Boden und das Buch mit den Schauspielerinnen-Biographien, das mit den aufgeschlagenen Seiten nach unten neben dem Kopfkissen lag.
    Sie musste eingedöst sein beim Lesen. Und obwohl sie schon gehofft hatte, den Endlosfilm in ihrem Kopf gestoppt zu haben, hatte dieser Alptraum sie erneut heimgesucht, waren diese Bilder in ihre Seele gekrochen.
    Sie versucht, die Augen zu öffnen. Weiß. Alles weiß. Um sie herum Stille. Ihr Gesicht steht in Flammen, ihr Brustkorb hebt und senkt sich, und bei jedem Atemzug glaubt sie, der Schmerz schneide sie in Myriaden Stücke. Ihre Lider fallen zu. Schritte auf Gummiboden, ein Quietschen. Eine Hand auf ihrer Stirn, kalt. Eine Stimme. Sie kennt die Stimme! Augen auf, befiehlt sie sich. Lichtstreifen. Dann sieht sie sein Gesicht. Er hat sich über sie gebeugt. Sie riecht seinen Pfefferminz-Atem. Hört seine Wörter, scharf wie eine Rasierklinge, die Buchstabe für Buchstabe in ihr Gehirn schnitzt. »W a c h«, schneidet seine Stimme, und »B e w u s s t s e i n«. Sie will die Hände auf die Ohren pressen. Doch ihr Körper verharrt reglos und schwer. Ihr Körper gehört ihr nicht. Der Mann hält etwas in der Hand. Sie will ihn fragen, was es ist, aber ihre Lippen bewegen sich nicht. Etwas blendet sie. Sein Gesicht wird zur Fratze, löst sich auf in milchigem Licht. Weiß! Alles weiß. Da fällt es ihr ein. Natürlich! Er ist ja Arzt. Ein Arzt trägt Weiß. Dasselbe Weiß wie die Wände in seinem Krankenhaus. Alles ist weiß. Er entfernt sich. Stille. Sie starrt zur Decke. Schließt die Augen, lächelt und stirbt.
    Thea schüttelte den Kopf, um die Sequenzen zu verdrängen. Die verschnörkelten Zeiger des goldenen Weckers standen auf kurz vor sechzehn Uhr. Heller Nachmittag! Aber wenigstens war Miriam schon weg und hatte – so hoffte sie – nicht bemerkt, was ihre Mutter in den letzten Minuten im Schlaf durchlebt hatte. Dass sie zurückgeworfen worden und noch lange nicht so weit genesen war, wie sie vorgab. Thea Roth hatte ihre alte Stärke, falls sie die jemals besessen hatte, noch längst nicht wiedergefunden.
    »Hässliches Ding«, sagte sie zu der Uhr und nahm das Buch auf. Marie Trintignants große Augen blickten sie unter der dunklen Ponyfrisur an. Berühmte Eltern. Vier Söhne von vier Vätern. Mit einundvierzig Jahren von ihrem Freund, dem Sänger Bertrand Cantat, erschlagen. Und mit neun schon eine kleine Berühmtheit:
Ça n’arrive qu’aux autres,
hatte ihr erster Film geheißen.
Das passiert immer nur anderen.
Thea lachte bitter auf. »Ja«, sagte sie zu Maries Foto, »bis es uns selbst erwischt. Bis es im Tod endet – oder in einer Existenz voller Furcht und Ungewissheiten.«
    Sie klappte das Buch zu und zog das Laken ab. Es war feucht und fleckig vom Schweiß. Miriam musste nicht merken, dass es wieder schlimmer geworden war. Dass ihre geliebte Mama auch tagsüber keine Ruhe mehr fand, den Beinahetod immer wieder durchlebte. »Kannst du dich denn an gar nichts erinnern?«, fragte Miriam immer wieder. Und sie sagte jedes Mal: »Nein, mein Schatz«, und sah die grauenvollen Bilder vor sich.
    Tödliches Weiß. Schreiende Stille. Die Fratze des Arztes. Wozu hätte sie von der Hölle erzählen sollen? Wozu das zerstören, was sie als ihr neues Leben angenommen hatte?
    Dieses Zimmer, zum Beispiel, mit seiner hellen Atmosphäre, mit den Blumenbildern und Komponistenporträts in den verzierten Goldrahmen. Das Bett mit den filigranen Schnitzereien, der Schminktisch mit den gedrechselten Füßen, der barocke Spiegel und die vielen Bücher – das alles strahlte Friede und Geborgenheit für Thea aus. In jedem Detail steckte Miriams Liebe. Und die Zeit, in der es ihrer Tochter besser gegangen war. Nicht nur finanziell.
    Sie spannte ein neues Leintuch über die Matratze und trug das schmutzige in den großen Waschkeller des Hauses. Hier roch es nach Schimmel und Heizöl. Auf drei Leinen hingen Badehandtücher und Babywäsche. Weshalb die Nachbarn nicht die Wäscheleine vor dem Haus benutzten, war Thea ein Rätsel. Von den fünf Maschinen waren nur drei regelmäßig in Benutzung. Miriams und ihre, die der Hausmeisterin und die der Studenten. Martin Gärtners Maschine war die schmalste, sie war mit einer klebrigen Schicht bedeckt und die Einfüllklappe gelb verfärbt. Sie schien Thea noch verlorener als sonst, wie sie da in der Ecke stand, unbenutzt seit Jahren und jetzt sicher bald auf dem Sperrmüll. Gärtner, so glaubte sie,

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