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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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weder aussprechen noch sich erst recht nicht merken konnte. Von Pflanzen hatte er keine Ahnung. Aber sie gefielen ihm.
    »Hallo, Moritz.« Die Oberstaatsanwältin.
    Augenblicklich legte sich eine kühle Hand in seinen Nacken. Dieses Gespenst, das ihn manchmal besuchte, ungebeten durch seine Seele spukte und ihn durch die Jahre seiner Vergangenheit jagte, auf die er nicht stolz war. »Lorena, grüß dich«, sagte er, um einen lockeren Ton bemüht.
    »Bist du okay?«
    »Ja, sicher. Was verschafft mir die Ehre am Sonntagabend?« Er setzte sich auf das weiße Sofa, Mittelpunkt seiner spartanisch eingerichteten Wohnung. Er mochte Lorena Stein und schätzte ihre brillante juristische Kompetenz. Doch die tragische Verbindung zwischen ihnen würde ihn immer belasten, obwohl sie ihm – genauso wie Charlottes Eltern Martin Gärtner – nie irgendeine Schuld zugewiesen hatte und nur selten über Peter sprach. Wie einen Kurzfilm sah Ehrlinspiel die Ereignisse der warmen Frühlingsnacht an sich vorbeiziehen: der Baggersee. Am Ufer Lorenas einziger Sohn Peter. Christine, mit der die Siebzehnjährigen beide im Gebüsch verschwinden wollen. Er selbst, in dem Glauben, die Welt und die Liebe gehörten ihm. Es war die Zeit gewesen, die andere als wild bezeichnet hätten. In der es darum gegangen war, das Leben als Mann zu entdecken, Grenzen und Mut auszuloten und auf Moral zu pfeifen. »Los, lass uns kämpfen«, sagt Ehrlinspiel zu Peter. Peter fällt auf die Uferwiese und greift sich an die Brust. Moritz lacht. »Los, raff dich auf, du feiger Hund! Wer zuerst am anderen Ufer ist, kriegt sie!« Kopfüber stürzen sie sich von dem hohen Betonsockel in den See. Stolz. Siegessicher. Peter voraus. Sekunden später taucht sein Kopf an der Oberfläche auf und verschwindet gleich wieder. Taucht auf. Bleibt verschwunden. Moritz selbst hat beim Sprung den felsigen Grund ignoriert. Ein irrsinniger Schmerz im Arm raubt ihm beinahe das Bewusstsein. Er ignoriert ihn. Taucht, rudert, zieht nach einer halben Ewigkeit den Freund ans Ufer. Erstaunt entdeckt er, dass Knochen aus seinem eigenen Ellbogen ragen. Peter röchelt. Wiederbelebungsversuche. Christines Schreien mischt sich mit dem blauen Lichterzucken des Notarztwagens.
    »Wie weit seid ihr?«, fragte Lorena Stein jetzt.
    Ein beruflicher Anruf. Gut. »Eine vage Spur.« Eine Mutter, die ihr Kind verloren hat. Einer, der schuld daran ist.
    »Moritz, ich brauche Ergebnisse. Lückenlose Berichte. Ich möchte dich morgen bei der Frühbesprechung nicht vor versammelter Mannschaft rügen. Aber –«
    »Ich weiß.« Er stand auf. »Und ich bin dir dankbar dafür. Aber ich kann nicht mehr tun als ermitteln.«
    »Ermittelst du denn auch … ordentlich?«
    Ihre tiefe Stimme hallte wie ein dumpfer Glockenschlag in seinem Magen. »Was soll das, Lorena? Du kennst mich, ich bin ein zuverlässiger Ermittler. Ich –«
    »Nimm’s mir nicht übel.« Sie klang sanftmütig wie immer. »Ich muss dich das fragen.«
    »Warum?« Der Glockenschlag wurde zu einem hohen Bimmeln.
    »Hinweise.«
    »Hinweise? Könntest du dich bitte deutlicher ausdrücken?«
    »Tut mir leid.« Eine Pause entstand. »Ich möchte nur sichergehen, dass du deinen Job gewissenhaft erledigst.«
    »Ich habe dieses Gespräch mit dir nie geführt«, sagte er und legte auf. Für einige Sekunden blieb er wie betäubt stehen. Seine Schläfen pochten. Was, zum Teufel, war hier los?
    Mit harten Schritten ging er in der Wohnung hin und her.
    Irgendjemand musste der Oberstaatsanwältin einen verdammten Mist erzählt, ihn schlechtgemacht haben. Doch wie konnte sie so etwas auch nur im Ansatz glauben? Mit beiden Händen schlug er flach auf den Esstisch.
    Verdammtes Gefühlschaos. Verdammte Schuld. Verdammter Kummer!
    Seine Handflächen schmerzten, und er bereute bereits, das Gespräch so unprofessionell beendet zu haben.
    Peter hatte einen Herzfehler gehabt. Geerbt von seiner Mutter Lorena: das Wolff-Parkinson-White-Syndrom. Sie selbst hatte den Defekt durch eine Operation beheben lassen. Bei Peter war auch eine geplant gewesen. Bis zu seinem Tod hatte keiner der Freunde davon gewusst. Manchmal war es Peter im Alltag schwindelig geworden, und er hatte theatralisch die Luft angehalten oder kaltes Wasser getrunken. Alle hatten gedacht, er spiele sein komödiantisches Talent aus. Als Ehrlinspiel ihn damals ans Ufer gezogen hatte, war er sich nicht einmal sicher gewesen, ob Peter auch das Röcheln nur spielte. Heute wusste er, dass das rein mechanisch

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