Mein wirst du sein
hatten sich meine Haare selbstständig gemacht, es war zum Verzweifeln!
»Sie haben es nicht mit Worten angedeutet«, gab er zu und sah nach unten. »Aber ich habe es gespürt. Auf ganz subtile Art wollten sie mir zu verstehen geben, dass ich unter Beobachtung stehe.«
Auf subtile Art, so, so.
»Du weißt, dass ich vorbestraft bin«, würgte er heraus, dass ich ihn kaum verstehen konnte.
»Das hat aber doch nichts mit vermissten Frauen zu tun, oder?« Allein die Vorstellung ließ mich erneut schmunzeln, und ich trank hastig einen Schluck Kaffee. Ich wollte ihn nicht kränken.
»Nein, nein. Aber du weißt ja, wie das ist.« Seine Stimme wurde wieder eine Oktave höher. »Einmal am Pranger, immer am Pranger.«
»Das ist aber erledigt, oder?«
»Ich habe meine Lektion gelernt. Ich habe gesessen und auf eine Neuauflage bin ich nicht scharf.«
Etwas in seiner Stimme ließ mich aufhorchen. Aber ich sagte nichts. Lag es an der Panik, erneut mit der Polizei zu tun zu haben?
»Okay, dann erzähl mir einfach alles, was du weißt, und ich verspreche, dass ich dir helfen werde. Ich mache mich auf die Suche nach der Frau.«
Lou war erleichtert und erzählte alles, was er wusste. Es war nicht besonders viel.
Susanne Dauber war zuletzt am vergangenen Mittwoch mit ihrer Freundin Marina Waldner im ›Jazz-Keller‹ gewesen. Vor der Tür hatten sie sich verabschiedet, Frau Waldner war nach Hause gefahren, und Frau Dauber hatte sich auf den Weg zu ihrem Auto im Parkhaus gemacht. Dort war sie nie angekommen. Am nächsten Morgen hatte ihr Mann sie als vermisst gemeldet. Das Fahrzeug stand noch im Parkhaus, und Frau Waldner und Lou, der beide vor der Tür verabschiedet hatte, waren die Letzten gewesen, die sie gesehen hatten. Seither fehlte von Frau Dauber jede Spur.
Ich erhob mich, die Tasse noch in der Hand.
»Okay, Lou, ich fahre zu Frau Waldner. Bestimmt klärt sich alles schnell auf, und Frau Dauber ist mit ihrem Tennislehrer nach Ibiza durchgebrannt.«
Ich zwinkerte ihm zu, doch heute war er nicht zu Scherzen aufgelegt.
»Lou«, hob ich einer Eingebung folgend an und fixierte ihn mit einem strengen Blick. »Ist das alles?«
Er wackelte mit dem Kopf. Immer schön auf und ab, sah kurz zu Boden und blickte mich dann treudoof an.
»Wirklich. Sonst gibt es nichts.«
Langsam nickte ich und ging mit meiner Kaffeetasse hinaus.
Ich rieb mir über die noch immer schmerzende Stirn und trank einen weiteren Schluck Kaffee.
»War eine lange Nacht, was?«, sprach mich Fanny aus einer Ecke hinter dem Tresen an. Der ›Jazz-Keller‹ lag ruhig und verwaist in der Dunkelheit. Meine Schritte hallten in dem niedrigen Raum, als ich die Bühne überquerte und einen Moment stehen blieb. Gestern Abend hatte ich noch hier gestanden und gesungen. Und zu viel ›Canchanchara‹ getrunken. Viel zu viel.
»Warum tue ich mir das jedes Mal wieder an?«, fragte ich, mehr zu mir selbst.
Fanny antwortete trotzdem. Mit einem Achselzucken.
»Vermutlich, weil du süchtig bist. Nach Ruhm und Erfolg.« Ihre Stimme klang scherzhaft. Wie viel davon entsprach der Wahrheit?
Ich seufzte.
»Du hast aber fantastisch gesungen. Cosima ist vor Neid grün angelaufen, ich habe sie genau beobachtet.«
Obwohl ich es nicht wollte, stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen.
Cosima war fest angestellte Sängerin im ›Jazz-Keller‹, aber nicht halb so gut wie ich. Sie wusste das, ich wusste das. Alle Welt wusste das. Und genau deswegen hasste sie mich, weil sie die gesangliche Alleinherrschaft für sich beanspruchte.
»Hat Lou mit dir über die verschwundene Frau gesprochen?«, wollte ich wissen.
»Die Polizei ist letzte Woche schon einmal hier gewesen. Und heute Morgen wieder.«
Sie polierte Gläser und hob immer wieder eines gegen das spärliche Licht.
»Was hältst du davon?«
»Keine Ahnung. Lou hat auf jeden Fall nichts damit zu tun. Aber irgendwie ist er komisch.«
Ich wusste nicht, wie viel sie über seine Vergangenheit wusste und hatte nicht vor, darüber zu reden, obwohl Fanny so etwas wie meine Freundin war. Natürlich nicht die beste und engste. Das war Conny. Aber gleich danach kam Fanny. Und dann lang nichts. Trotzdem würde ich Lous Vergangenheit für mich behalten.
Sie setzte das Glas ab, das sie in der Hand gehalten hatte, warf sich das Geschirrtuch lässig über die Schulter und sah mich an.
»Ich weiß, dass er früher Probleme mit der Polizei hatte.«
Ich antwortete nicht.
»Aber sicher hat er nichts mit verschwundenen Frauen zu
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