Mein wirst du sein
tun. Lou! Ich bitte dich! Das ist doch ein Witz!« Sie nahm das Handtuch von der Schulter, um ein weiteres Glas zu polieren.
Sie hatte recht.
»Er benimmt sich trotzdem seltsam. Als habe er etwas zu verbergen.« Hatte mich mein Gefühl also nicht getrogen.
»Weißt du irgendetwas?«
»Nicht mehr als das, was Lou dir sicher schon erzählt hat. Sie ist mit ihrer Freundin hier gewesen. In letzter Zeit beinahe jede Woche einmal. Komisch, dass sie dir noch nicht aufgefallen ist. Aber wer merkt sich schon alle Gäste, die ein und aus gehen.«
Sie kniff die Augen zusammen und legte den Kopf schief.
»Wir haben einen neuen Stammgast. Er heißt Erich und ist – irgendwie anders.«
»Wie anders?«
»Nun, er sitzt da, immer allein, trinkt seinen Whiskey und redet nicht viel.«
»Fehlt noch ein Hund, dann ist es Andreas.«
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Andreas redete auch nicht viel. Er saß allein in der Ecke, lauschte der Musik, und zu seinen Füßen lag eine große, sabbernde, rotbraune dänische Dogge. Das hässlichste Vieh auf Erden.
»Nein, er ist viel älter als Andreas. Aber irgendwie ist er ein komischer Typ, finde ich. Und er ist so ungefähr zur gleichen Zeit hier aufgetaucht wie die beiden Frauen. Ich will niemanden verdächtigen, aber seltsam ist das schon.«
Ich schwieg und dachte nach.
»Weißt du etwas über ihn?«
»Nichts.«
Prima. Das roch nach jeder Menge Arbeit. Ich hatte Urlaub.
Gerade als ich in mein Auto steigen wollte und mir überlegte, welchen Platz dieser Tag auf meiner persönlichen Geht-gar-nicht-Skala einnehmen würde, klingelte mein Handy.
›Aquarius‹, ein entsetzlicher Klingelton. Das Grauen aus der Handtasche. Und noch während ich überlegte, wusste ich, dieser Tag würde noch schlimmer werden.
Ich räusperte mich. Dann noch einmal. Und meldete mich. Förmlich, mit vollem Namen.
»Aber Kind, du weißt doch, wer dran ist.«
Ich schloss die Augen. Wieso hatte ich nur abgenommen?
»Mama.«
»Geht es dir nicht gut? Hast du etwa getrunken?«
Warum musste sie den Finger immer genau in die Wunde legen und dann auch noch darin herumbohren, bis sie am Grund angelangt war? Der Grund war in diesem Fall mein malträtierter Kopf, der augenblicklich wieder zu pochen begann.
»Ich muss mit dir reden.«
Und da, sie tat es schon wieder. Meine Antwort interessierte sie nicht. Sie hatte sie nie interessiert.
Ausnahmsweise war ich diesmal dankbar. Ich öffnete vorsichtig die Augen.
»Was gibt es denn?«
»Ich hatte Kontakt. Zu einer Seele.«
Zu was?
Ich war gewohnt, dass meine Mutter sich mit Dingen beschäftigte, die, nun sagen wir einmal, nicht zum Gros der Freizeitbeschäftigung der Normalbevölkerung gehörte. Und hinter ihrer letzten Äußerung vermutete ich eine ebensolche.
»Ich war bei einer Séance.«
Mein Kopf schmerzte.
»Und ich hatte Kontakt zu einer Seele. Zu einer unruhigen Seele. Und davon wollte ich dir erzählen. Weil du das doch beruflich machst.«
Sie war gegen meinen Beruf. Und sprach ihn nie aus. Was sie jedoch nicht davon abhielt, mich ständig damit zu triezen, denn brauchen konnte sie meine Verbindungen ab und zu doch.
Und ich kleine, dumme Gans war nicht in der Lage, ihr zu widersprechen. Sie war meine Mutter. Seiner Mutter widerspricht man nicht. Auch wenn sie sich nie um mich oder meinen Bruder gekümmert hatte. Aufgewachsen waren wir bei unseren Großeltern.
»Du hattest was ?«
»Ich war bei einer Séance.« Sie sprach langsam und geduldig. »Da hatte ich Kontakt zu einer unruhigen Seele, die wollte, dass ich ihr helfe. Und dabei bist du mir eingefallen.«
Natürlich. Wer auch sonst?
»Sie heißt Susanne.«
Ich zuckte zusammen.
»Dauber?«
Im selben Moment hätte ich mir am liebsten die Zunge abgebissen. Ich schloss die Augen. In der Hoffnung, Geschehenes ungeschehen werden zu lassen. Dass das heute nicht funktionieren würde, hätte mir eigentlich klar sein müssen.
»Kennst du sie etwa?«
Vorsichtig öffnete ich wieder die Augen und fügte mich in mein Schicksal. Es ließ sich ohnehin nicht mehr rückgängig machen.
»Hast du damit zu tun? Beruflich meine ich.«
Das Verhör hatte begonnen.
»Ja und nein«, antwortete ich vage und hoffte, dass es damit erledigt war.
»Was nun? Ja oder nein?«
»Nicht direkt beruflich. Ich helfe einem Freund.«
Ich musste irgendetwas unternehmen. Ich stieg ins Auto und drehte den Schlüssel im Schloss.
»Dann müssen wir uns treffen, ich muss dir davon erzählen.«
Der Motor
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