Mein wirst du sein
schwieg einen Moment und sah sie mit schief gelegtem Kopf forschend an. Etwas in ihr war zerrissen. Sie wusste etwas, aber nicht, wie viel und was sie mir anvertrauen sollte.
»Frau Waldner, wenn ich Ihnen helfen soll, müssen Sie ehrlich sein. Unehrlichkeit hilft niemandem weiter. Am wenigsten Frau Dauber.«
»Susanne und ich haben Kontaktanzeigen aufgegeben«, sagte sie leise.
Ja und? War das alles? Bei dieser Ankündigung hatte ich eher an außereheliche Treffen im Swingerclub gedacht.
»Haben Sie diese Männer getroffen?«
Frau Waldner nickte.
»Natürlich haben uns teilweise dieselben Männer geantwortet. Aber wir haben nie die gleichen getroffen. Wir haben das auch nicht getan, weil wir Bettgefährten gesucht haben, sondern weil einfach einmal etwas passieren sollte.«
»Wenn das Verschwinden Ihrer Freundin überhaupt mit den Anzeigen zusammenhängt. Gibt es eine Liste der Männer, mit denen sich Frau Dauber getroffen hat?«
»Ja. Viele waren es ja noch nicht. Ich habe die Briefe hier. Susannes Mann hätte sie sonst längst gefunden. Meiner ist weniger ordentlich.«
Täuschte ich mich, oder klang sie verbittert?
»Ihre Männer wussten also nichts davon.«
»Was glauben Sie denn? Natürlich wussten sie nichts.« Sie sah mich empört an. »Deswegen möchte ich auch nicht, dass Susannes Mann etwas davon erfährt. Wenn sich ihr Verschwinden aufklärt und das nur ein dummes Missverständnis war, möchte ich nicht an einem Ehekrach schuld sein. Trotz allem mache ich mir Gedanken. Vielleicht haben die Kontaktanzeigen ja doch etwas mit ihrem Verschwinden zu tun.«
»Gut. Wie viele Männer hat sie getroffen?«
»Ich weiß nur von Dreien.«
Eilig stand Frau Waldner auf, öffnete die Schublade einer Kommode und wühlte darin herum. Dann reichte sie mir einen Umschlag.
»Mit denen hat Susanne sich getroffen.«
Ich blätterte oberflächlich in den Antwortbriefen und nickte.
»Die nehme ich mit.« Ich steckte den Umschlag in die Tasche, ohne eine Antwort abzuwarten. »Hat Frau Dauber etwas von den Treffen erzählt, die sie hatte?«
»Nicht viel. Daniel Schönborn hat sie erwähnt. Er schien ihr sympathisch zu sein. Sie wollte sich noch einmal mit ihm treffen. Er ist Arzt. Von den anderen beiden weiß ich nichts. Außer, dass sie sie getroffen hat.«
»Okay.« Ich erhob mich und sah die Erleichterung auf ihrem Gesicht. »Ich glaube, jetzt weiß ich erst einmal genug, um mir ein Bild zu machen.«
»Und wie geht es jetzt weiter?«
»Ich beginne mit meinen Ermittlungen und zunächst werde ich mich mit Herrn Dauber in Verbindung setzen.« Mit innerer Genugtuung nahm ich ihren ängstlichen Blick zur Kenntnis. »Keine Angst. Ich werde nichts verraten.«
Damit öffnete ich die Tür und trat nach draußen in die warme Frühlingsluft. Ich atmete tief durch. Grußlos ging ich zu meinem Auto, das unangetastet noch immer an seinem Platz stand, und schloss die Tür auf. Nicht einmal einen Strafzettel hatte ich bekommen. Als wäre mein Auto selbst in den Augen der Politesse nicht würdig, in dieser Gegend ein Ticket hinter den Scheibenwischer geklemmt zu bekommen.
Da ich außer ein paar Tassen Kaffee und einigen Aspirin nur Lous Brötchen gefrühstückt hatte und es bereits später Vormittag war, stellte ich mein Auto vor der Tür ab und ging in dem Supermarkt um die Ecke einkaufen.
Der Laden war kleiner als die üblichen Geschäfte, aber weit davon entfernt, ein Tante-Emma-Laden zu sein. Und er hatte alles, was ich brauchte: Kaffee, Milch und jede Menge Auswahl in der Tiefkühltruhe. Zwar konnte ich nicht schlecht kochen, es wäre manch einer überrascht gewesen, aber meistens war ich einfach zu faul. Für mich allein lohnte es die Mühe nicht, und Besuch bekam ich nie. Zumindest keinen, der zum Essen blieb. Wozu also die Mühe?
Ich deckte mich mit Milch, Joghurt, Bier, Brot und einigen Tiefkühlpizzas ein und schleppte alles nach Hause.
Das Fahrrad lehnte noch immer an der Hauswand, der kleine Nachbarsjunge stand davor und begutachtete es. Als er mich kommen hörte, wandte er sich erschrocken um. Dann entspannte er sich, als er sah, mit wem er es zu tun hatte.
»Hallo«, grüßte ich und versuchte, ganz freundliche Tante zu sein. »Immer noch keine Schule?«
Wütend verzog er das Gesicht.
»Bist du von der Polizei?«
»Nein, kleiner Neunmalklug. Ich bin Privatdetektivin. Und mir ist es ziemlich egal, ob du in der Schule bist oder schwänzt. Ich wollte nur freundlich sein. Das machen Nachbarn manchmal
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