Mein wirst du sein
sterben müssen?
»Und die anderen?« Meine Stimme hörte sich in meinen Ohren fremd an, krächzend und leise.
Ich musste Jens am Reden halten, um zu überleben. Oder um wenigstens eine Chance zu bekommen. So lang er redete, tat er mir nichts. Hoffte ich.
»Ach, das war einfach. Die Kontaktanzeigen. Jeder dachte, dass es jemand gewesen sein musste, den die Frauen über eine Anzeige kennengelernt hatten.« Er kicherte. »Dabei war es für mich ein Kinderspiel.«
Klar, er arbeitete bei der Zeitung. Ein Blick ins Archiv, und schon hatte er die realen Namen, Adressen und Telefonnummern der Frauen.
»Ich wollte nur eine nette Frau kennenlernen. Was ist denn der Sinn dieser Kontaktanzeigen? Und wenn ich ihnen zu nahe gekommen bin, haben sie einen Rückzieher gemacht. Als hätten sie es sich anders überlegt. Dabei war doch von Anfang an klar, wofür die Anzeigen aufgegeben wurden. Mit mir macht man so etwas nicht. Mit mir nicht!«
Und was hatte das alles mit mir zu tun? Ich hatte ihn nicht zurückgewiesen.
Bisher hatte er geredet, ohne dass ich viel unternehmen musste.
Sanft strich er mir mit der Hand über die Wange und sah mir in die Augen. Das Glitzern verlieh ihm einen irren Ausdruck, und ich musste mich zwingen, den Kopf nicht wegzudrehen und seine Hand beiseite zu schlagen. Ich biss die Zähne zusammen und ließ über mich ergehen, dass er mich streichelte wie ein kleines Mädchen. Zurückweisen durfte ich ihn nicht.
»Schade«, sagte er und küsste mich auf die Lippen.
Ich würgte und schluckte hart.
»Aber du musstest ja weiterstochern. Hartnäckig wie ein Terrier. Aber das wusste ich schon, als ich dich das erste Mal gesehen habe. Erinnerst du dich noch?« Ein Lächeln stahl sich in seine Augen.
Wie konnte ich das vergessen? Es hatte sich für alle Zeiten in mein Gedächtnis eingebrannt wie ein Wirklichkeit gewordener Albtraum.
»Ich dachte mir, dass es interessant werden könnte, dich näher kennenzulernen. Und das war es wirklich.«
Er lächelte, und seine Augen funkelten.
»Du wirst nicht davonkommen«, würgte ich hervor. »Mark Heilig weiß, dass du hier bist. Und er wollte später vorbei kommen. Nach Goldmanns Verhaftung.«
Mark hatte keine Ahnung, wo ich mit wem verabredet war. Mein letztes Gespräch mit ihm hatte einen denkbar schlechten Ausgang genommen. Jetzt hätte ich mich dafür ohrfeigen können.
»Und wenn schon?« Er sah mich verwundert an. »Ich weiß, dass es zu Ende ist. All die Frauen über all die Jahre. Ich bin müde geworden. Zu müde zum Kämpfen.«
Oh mein Gott! Er war nicht nur ein verrückter Killer, er war auch selbstmörderisch veranlagt. Die gefährlichste Kombination, die es geben konnte. Deswegen war es ihm auch nicht wichtig, ob ich gelogen hatte.
»Mit dir wird enden, was mit Heike begonnen hat.« Er flüsterte jetzt.
Ich kämpfte gegen die aufkommenden Tränen. Sie würden mich behindern, und doch konnte ich nicht anders.
Jens griff nach dem Schal, der neben der hässlichen Kette auf dem Tisch lag. Der Kette mit dem billigen Rosenhänger, die die Opfer um den Hals getragen hatten.
Er ließ mich für einen Moment aus den Augen. Und diesen Augenblick nutzte ich. Eingekeilt von der Wand auf der einen und Jens auf der anderen Seite blieb mir nur die Flucht nach unten. Ich lehnte mich zurück, streckte die Beine durch und ließ mich unter den Tisch gleiten. Hart schlug mein Kopf an der Kante der Bank auf und ließ mich kurz Sternchen sehen. Doch ich rappelte mich gleich wieder auf und stürzte unter dem Tisch hervor.
Doch Jens musste meine Absicht erkannt haben. Längst war er auf den Beinen und stand vor mir, als ich aufstand.
»Es ist vorbei.« Er flüsterte und lächelte mich an, den Schal bereithaltend.
»Ja, für dich!« Ich schrie. Erstaunlich laut für meine malträtierte Kehle. Vielleicht hörte mich jemand im Haus und rief die Polizei.
Ich hatte nicht die Absicht, aufzugeben und wusste, dass ich kämpfen musste. Mit aller Gewalt stieß ich mich vom Tisch ab, den Kopf zwischen den Schultern eingezogen. Wie ein kleines Gummigeschoss rammte ich Jens den Kopf in den Bauch.
Er schnaufte verblüfft und japste nach Luft, der Schal glitt ihm aus den Händen. Ich rempelte ihn erneut an und stieß ihn zu Boden.
Das war die Gelegenheit, auf die ich gewartet hatte. Ich trat ihm den Fuß in den Magen und rannte über ihn hinweg auf den Flur. Die Eingangstür war in beruhigender Nähe, doch ich wusste, dass ich keine Zeit verlieren durfte. Ich konnte bereits
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