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Mein wunderbarer Brautsalon

Mein wunderbarer Brautsalon

Titel: Mein wunderbarer Brautsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Sonntag
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ich helfe gerade einer Kundin beim Anziehen. Gibt es was?«
    »Nein, schon gut«, rufe ich zurück. Komisch! Dabei war ich ganz sicher, jemanden gehört zu haben.
    Mein Blick fällt auf die verschlossene Tür der Teeküche. Ich gehe darauf zu, öffne die Tür – und vor mir steht Rufus, der in aller Seelenruhe eine Zigarette raucht. »Moin, Alder«, begrüßt er mich grinsend.
    »Moin«, erwidere ich etwas unwirsch, nehme ihm die Zigarette aus dem Mund und lösche sie kurzerhand im Ausguss. »Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass du hier nicht rauchen sollst. Das bleibt doch alles in den Kleidern hängen!«
    Rufus hebt abwehrend die Hände. »Ich hab die Tür zu gehabt.« »Trotzdem«, insistiere ich, »das zieht doch unter der Tür durch!«
    Rufus zuckt unbeeindruckt mit den Achseln und nuschelt ein: »Sorry, hab nicht dran gedacht.« »Was machst du hier eigentlich?«, will ich dann wissen. »Ich darf doch wohl mal meinen Bruder besuchen«, gibt Rufus betont unschuldig zurück.
    »Klar darfst du das, aber dann hättest du ja mal im Büro anklopfen können.«
    »Wusste nicht, dass du da steckst.« »Rufus, verarsch mich nicht! Was läuft da zwischen dir und Britta?«
    »Britta?« Rufus setzt einen derart schockierten Gesichtsausdruck auf, als hätte ich ihn soeben des Banküberfalls bezichtigt. »Ja, Britta«, bestätige ich. »Meinst du, ich bekomm nicht mit, dass da irgendetwas ist?«
    Jetzt verschließt sich seine Miene, und er sieht wieder genau so bockig aus, wie er als Teenager oft war.
    »Wüsste nicht, was dich das angeht!« Er verschränkt beide Arme vor der Brust und versucht, dabei extrem nach Gangster auszusehen. Ich gehe noch einen Schritt auf ihn zu, bis ich ganz nah vor ihm stehe.
    »Das geht mich sehr wohl etwas an«, stelle ich fest. »Britta ist meine Angestellte, und ich hab wenig Lust, dass mein kleiner Bruder sie mit seinen Spielchen aus der Fassung bringt. Such dir ein anderes Mädchen und lass sie in Ruhe, ich brauche sie hier als Arbeitskraft!«
    Wieder hebt Rufus abwehrend die Hände.
    »He, Alder, bleib locker! Wir haben vorgestern nur mal ’nen Tee zusammen getrunken und über Musik gequatscht. Ich wollte ihr eine CD vorbeibringen, das ist alles.« »Das glaube ich ja erst, wenn der Weihnachtsmann irgendwann höchstpersönlich vor mir steht.«
    Wieder zuckt Rufus mit den Schultern. »Ist deine Sache, was du glaubst.« Ich könnte ihm echt an die Gurgel gehen, wie er da so lässig vor mir steht. Aber bevor ich der Versuchung erliegen kann, handgreiflich zu werden, ruft Britta nach mir.
    »Herr Hübner? Können Sie mal kommen?«
    »Ja, sofort!«, rufe ich zurück und mache mich auf den Weg nach unten. Allerdings nicht, ohne Rufus vorher noch einmal einen warnenden Blick zuzuwerfen. In einer Stadt wie Hamburg gibt es schließlich Zehntausende von jungen hübschen Frauen. Da muss er nicht ausgerechnet Britta das Herz brechen!
    »Was ist denn?«, frage ich Britta, als ich die Treppe herunterkomme. Vor dem Spiegel steht eine Kundin, der Britta offensichtlich eben ins Kleid geholfen hat, und lächelt mich freundlich an. »Ich würde gern mal eine männliche Meinung hören, wie mir dieses Kleid steht«, erklärt sie und dreht sich dabei einmal um die eigene Achse. Grauenhaft, ist mein erster Gedanke. Sie steckt in einem weißen Sahnebaiser mit Puffärmeln, die Bündchen der Ärmel schneiden an den schwabbeligen Oberarmen
    deutlich ein, und der Reißverschluss am Rücken geht auch nicht ganz zu. Leider müssen wir auch für die Geschmacksverirrten etwas auf Lager haben, um sie nicht als Kundschaft zu verlieren – aber es tut mir jedes Mal in den Augen weh, wenn sich eine Dame in ein rüschenbesetztes Monstrum zwängt. »Sehr schön«, beginne ich vorsichtig, trete etwas näher und mustere das Kleid fachmännisch. Wie wohl die Chancen stehen, sie zu einem anderen, etwas geschmackvolleren Modell zu bewegen? Ich bemerke ihre blonden Strähnchen und die rausgewachsene Dauerwelle. Eher schlecht, schlussfolgere ich, also ist Schadensbegrenzung angesagt.
    »Hier hinten«, ich streiche über den Reißverschluss, »müssten wir nur noch einen Hauch auslassen, dann sitzt es wie angegossen.« Der Hauch dürfte gut und gern zwei Konfektionsgrößen betragen, aber natürlich sage ich das nicht.
    »Ja«, strahlt die Frau mich an, »ich trage schon immer Größe 38.« Ich verkneife mir ein Kichern. Das kenne ich schon. 38, das ist irgendwie eine magische Zahl, vor allem, wenn es ums Brautkleid geht. So gut

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