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Mein wunderbarer Brautsalon

Mein wunderbarer Brautsalon

Titel: Mein wunderbarer Brautsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Sonntag
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wie jede Frau, egal, wie korpulent sie ist, träumt von Größe 38. Die Hersteller wissen das glücklicherweise und fertigen ihre Modelle immer so an, dass viel Spielraum zum Auslassen da ist.
    »Und die Armbündchen«, fahre ich fort, »die sind bei dieser Ausführung leider etwas eng geraten, aber da können wir auch noch was ändern.«
    »Prima!« Dann seufzt sie und betrachtet sich glücklich im Spiegel. »Es ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe.« Und tatsächlich – trotz Rüschen, Puffärmel und Presswurst-Look verwandelt selbst diese Kundin sich auf einmal in eine wahre Schönheit und strahlt dieses gewisse Etwas aus. »Wissen Sie«, fügt sie dann hinzu, »ich möchte nämlich bei meiner Hochzeit aussehen wie ›Pretty Woman‹.« Ehe ich darauf etwas erwidern kann, so im Sinne von »Im Vergleich zu Ihnen sieht Julia Roberts doch blass aus!«, erklingt hinter mir eine Stimme: »Na, da wird es mit dem Kleid allein aber nicht getan sein, dafür müssten Sie schon einen plastischen Chirurgen bemühen.«
    Sofort gefriert das Lächeln meiner Kundin, Britta und Oma werden mit einem Schlag kreidebleich. Ich fahre entsetzt herum: Auf dem Treppenabsatz steht Rufus und grinst breit in die Runde. Offenbar denkt er, er hätte einen besonders gelungenen Witz gemacht.
    »Rufus«, herrsche ich ihn an, »wie kannst du …« Ich werde von einem herzzerreißenden Schluchzen unterbrochen. Oh nein! Die Frau weint, binnen Sekunden ist ihr Gesicht tränenüberströmt. Ich stürze auf sie zu.
    »Frau, äh, Frau …«, stammele ich hilflos. »Ellinghaus«, bringt sie unter Tränen hervor.
    »Frau Ellinghaus«, setze ich noch einmal an und deute Britta, dass sie mir ein Taschentuch reichen soll. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Rufus nun tatsächlich etwas betreten zu Boden blickt. Wenigstens einen Hauch von Schamgefühl hat er noch! »Es tut mir schrecklich leid, mein kleiner Bruder hat das mit Sicherheit nicht so gemeint. Er ist nur, er ist nur so …« Ja, wie ist er denn nun? Ein verzogener Rotzlöffel, der manchmal nicht weiß, wo seine Grenzen sind und der noch immer nicht begriffen hat, dass der Ernst des Lebens auch ihn irgendwann ereilen wird. Aber wie soll er auch? Oma und ich haben ja immer alles von ihm ferngehalten. »Er ist …«
    »Ein richtiger Vollidiot«, kommt Britta mir zu Hilfe, reicht mir ein Stofftaschentuch und blitzt Rufus dabei böse an. Oma nickt dazu bekräftigend, lange habe ich sie nicht so aufgebracht gesehen. Frau Ellinghaus nimmt das Taschentuch dankbar entgegen und tupft sich die Tränen vom Gesicht.
    »Ich weiß ja selbst«, bringt sie noch immer schluchzend hervor, »dass ich nicht gerade Modellmaße habe. Aber …«
    »Nichts, aber«, unterbreche ich sie mit einem Tonfall, der keinen Widerspruch zulässt. »Das Kleid steht Ihnen wunderbar, und Sie werden eine ganz bezaubernde Braut sein.« Unsicher wirft sie Oma und Britta einen Blick zu, die beiden nicken ebenfalls bekräftigend. Jetzt löst sich tatsächlich auch Rufus aus seiner Starre und kommt von der Treppe zu uns herüber.
    »Es tut mir wirklich leid«, setzt er an und sieht dabei aus wie ein Schuljunge, der vom Rektor bei einem dummen Streich erwischt worden ist. »Ich meinte das völlig anders«, fährt er fort, und ich bin wirklich gespannt, wie er sich aus der Nummer wieder rauslavieren will. Nur zu, Rufus! »Also, was ich eigentlich sagen wollte …« Er scheint richtig ins Schwitzen zu kommen – und das geschieht ihm mehr als recht. »Ich meinte, dass diese ganzen künstlichen Hollywood-Schönheiten doch alle total operiert aussehen. Eben keine so natürliche Schönheit wie Sie!« Dann strahlt er sie am und ich bin mir sicher, dass sie ihm für diese unverschämte Lüge gleich eine knallen wird.
    Aber offenbar kenne ich die Frauen schlecht, sie glauben am liebsten das, was sie glauben wollen. »Ehrlich?«, entfährt es Frau Ellinghaus überrascht. »Finden Sie das wirklich?« Als hätte jemand eine Lampe angeknipst, strahlt sie nun wieder. Wäre ihre verlaufene Wimperntusche nicht, man könnte meinen, es wäre nichts passiert.
    »Ja, sicher«, bestätigt Rufus, wirft ihr dabei sein charmantestes Herzensbrecher-Lächeln zu und setzt noch einen drauf: »Julia Roberts sieht doch aus wie eine Wachsfigur, so unecht und kalt. Aber Sie – Sie sind eine richtige Frau aus Fleisch und Blut. So, wie jeder Mann sich nur eine Frau wünschen kann.«
    Frau Ellinghaus kichert und schlägt kokett die Augen nieder. Rufus sollte es mit

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