Mein zauberhafter Ritter
Allmählich fragte Pippa sich, ob der Ausflug nicht ein schwerer Fehler gewesen war.
Und als Montgomery, der gerade mit einem Wachmann gesprochen hatte, sich umdrehte, bestärkte seine Miene sie noch in ihren Befürchtungen.
»Ach, herrje«, sagte da eine Stimme hinter ihr in gespielter Besorgnis. »Ich glaube, Mylady, dass er höchst unzufrieden mit Euch ist.«
Pippa wusste nicht, ob die Hände, die sich plötzlich um ihre Schultern legten, verhindern sollten, dass sie vor Schreck abstürzte — oder dass sie floh.
Oder hatte der Besitzer dieser Hände gar die Absicht, sie in die Tiefe zu stürzen?
Gerade war sie zu dem Schluss gekommen, dass sie wohl mit der dritten Möglichkeit rechnen musste, als sie nur wenige Zentimeter neben ihrem Ohr Montgomerys Schwert bemerkte.
Pippa konnte nicht so recht entscheiden, ob ihr zuerst ihre Tränendrüsen oder ihre Blase Probleme bereiten würden, weshalb ihr die dritte Alternative am besten gefiel, nämlich reglos zu erstarren. Rasch sah sie sich um, um festzustellen, ob sie Montgomerys Miene etwas entnehmen konnte — ein Einfall, den sie im nächsten Moment bereute. In der kurzen Zeit, die sie ihn jetzt kannte, hatte sie ihn noch nie so gesehen ... nun, er schien kurz davor zu sein, sprichwörtlich zu explodieren. Sein Gesicht war in gespielter Ruhe erstarrt, während seine Augen vor rasender Wut blitzten.
Martin, der sehr unscheinbar gewirkt hatte, und dem sie eigentlich nichts Böses zugetraut hatte, schien zu überlegen und gab schließlich nach. »Lass ab«, stieß er hervor. »Ich habe nachgedacht.«
»Dazu wirst du nicht mehr viel Gelegenheit haben, wenn du sie nicht auf der Stelle freigibst«, entgegnete Montgomery. »Außer, du ziehst es vor, dass ich dir mein Schwert in die Brust stoße.«
Pippa spürte, wie Martins Hände sich von ihren Schultern lösten. Montgomery nahm sie am Arm und zog sie langsam hinter sich. Sein Schwert berührte noch immer Martins Brust.
»Ich wollte nur helfen«, beklagte sich Martin, trat einen Schritt zurück und rieb sich eine Stelle unter dem Schlüsselbein. »Ich habe nur versucht zu verhindern, dass sie fällt.«
»Dann habe ich mich wohl geirrt«, entgegnete Montgomery kühl, »denn für mich sah es ganz danach aus, als hättest du gerade den ersten Schritt auf dem steinigen Weg in die Hölle gemacht, den dein älterer Bruder bereits beschritten hat. Ich würde dir dringend raten, in dich zu gehen, denn du könntest feststellen, dass dieser Weg so gar nicht nach deinem Geschmack ist.«
»Deinem Vater wird es nicht gefallen, wie du mich behandelst«, erwiderte Martin, wobei seine Stimme hörbar schriller wurde. »Ich werde dafür sorgen, dass er davon erfährt.«
»Aber dann bitte in allen Einzelheiten«, antwortete Montgomery. »Die werden ihn sicher sehr fesseln.«
Vorsichtig spähte Pippa hinter Montgomerys Schulter hervor, weil sie neugierig auf Martins Gesichtsausdruck war. Es wunderte sie nicht, dass sich unverhohlener Hass darauf abzeichnete. Martin mochte seinem Wunsch nach Montgomerys Ableben vielleicht nicht so wortreich Ausdruck verleihen wie seine restliche Sippe, doch vorhanden war er eindeutig.
»Das wirst du bereuen«, brauste Martin auf.
»Aus irgendeinem Grund kann ich mir das nicht so recht vorstellen.«
Verwünschungen zischend, stolzierte Martin davon. Pippa machte schon den Mund auf, um ihn zu dieser vernünftigen Entscheidung zu beglückwünschen, als sie sich einem noch immer vor Wut kochenden Lord Sedgwick gegenüber sah.
»Was hast du hier zu suchen?«, brüllte Montgomery, während er zornig sein Schwert zurück in die Scheide steckte.
»Ich wollte nur frische Luft schnappen«, stotterte sie. Noch nie hatte sie ihn zornig erlebt - nein, das stimmte nicht, sie hatte nur noch nie erlebt, dass er zornig auf sie war. Allerdings hatte sie den Eindruck, dass sie nun die volle Wucht seines Wutausbruches abbekommen würde. »Schleppst du mich jetzt auf den Kampfplatz, um mir eine Lektion zu erteilen wie deinen Wachleuten?«
»Nur, damit du es dir hinter die Ohren schreibst«, entgegnete er barsch. »Die Luft auf dem Boden ist ebenso erfrischend wie hier oben. Und nein, mit Frauen schlage ich mich grundsätzlich nicht.«
»Dann gehst du vielleicht allein?«, fragte sie voller Hoffnung. »Um dein Mütchen zu kühlen?«
Seine Antwort war nur ein verärgerter Blick, was sie zu dem Schluss brachte, dass der Zeitpunkt gerade ungünstig war, um seine Pläne für die nähere Zukunft zu ermitteln. Da er
Weitere Kostenlose Bücher