Mein zauberhafter Ritter
immer noch ein Gesicht machte, als würde er am liebsten jemandem den Kragen umdrehen, hielt sie es für das Ratsamste, dafür zu sorgen, dass es nicht ihrer war. Mittelalterliche Männer! Wie sollte eine moderne Frau bei denen nur durchblicken?
Montgomery rauschte an ihr vorbei, packte sie an der Hand und zog sie hinter sich her zum vorderen Teil der Burg. Als sie sich mit der Hand an der Mauer abstützen wollte, brach ein Stück davon ab und stürzte in die Tiefe. Nach Luft schnappend, spähte sie über die Kante und konnte gerade noch beobachten, wie es im Burggraben landete. Da sie damit bereits Bekanntschaft gemacht hatte, hatte sie nicht die geringste Lust auf eine Wiederholung.
Also stolperte sie hinter Montgomery her in einen der Wachtürme und lächelte den Wachen verlegen zu, als er sie unwirsch hinausschickte. Im nächsten Moment nahm er das Schwert von der Hüfte. Unwillkürlich sah Pippa sich nach einem Fluchtweg um. Gütiger Himmel, er würde doch nicht ...
Nein, sie hatte sich geirrt. Er hielt sie am Arm fest, bevor sie davonlaufen konnte, und führte sie zu einer steinernen Bank am Fenster, wo er sich setzte und sie zu sich hinunterzog, bis sie beinahe, wenn auch nicht ganz, auf seinem Schoß saß. Vielleicht befürchtete er ja, dass sie davonlaufen könnte, wenn er auch nur die kleinste Lücke zwischen ihnen freiließ. Oder wollte er sie etwa ganz in seiner Nähe haben, um sie nach Herzenslust herunterputzen zu können? Möglicherweise war »Abstand« für ihn ja auch ein Fremdwort.
Wieder ein Thema, mit dem man sich besser zu einem anderen Zeitpunkt beschäftigte.
Er sah sie noch immer finster an, und seine Lippen bewegten sich, als fielen ihm die richtigen Worte nicht ein, um das angespannte Schweigen zu brechen.
»Was ist?«, fragte sie mit bemüht ahnungsloser Miene.
»Frau, wenn ich dir sage, dass du in meinem Gemach bleiben sollst, dann bleibst du in meinem Gemach!«, donnerte er.
Ihr lagen eine ganze Reihe von Bemerkungen auf der Zunge, die einander zu überstürzen drohten, zum Beispiel, dass er ein mittelalterlicher Barbar sei - was auch zutraf. Außerdem sei sie eine moderne Frau, die sehr wohl auf sich selbst aufpassen könne - auch das stimmte. Im 21. Jahrhundert. Solange sie sich nicht in den dunklen Seitengassen verrufener Stadtviertel herumtrieb.
Allerdings befand sie sich nicht im 21. Jahrhundert und hätte gerade beinahe einen unfreiwilligen Kopfsprung in einen Abwassergraben gemacht. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als zuzugeben, dass sie Mist gebaut hatte.
Sie holte tief Luft. »Du hast recht.«
Er verzog das Gesicht, als traue er seinen Ohren nicht. »Ich habe was?«
»Du hast recht. Es tut mir leid. Ich habe den Raum verlassen, in den du mich geschickt hast, und es dir damit erschwert, mich zu beschützen.«
Er beäugte sie argwöhnisch. »Ich kann nicht ganz glauben, dass du das ernst meinst.«
»Ich verhalte mich fügsam. Das ist es doch, was du willst.«
»Die Heiligen mögen mich vor Mädchen aus der Zukunft bewahren, die aus heiterem Himmel fügsam werden«, knurrte er. Er bedachte sie noch einmal mit einem mürrischen Blick, doch seine Anspannung schien sich zu legen. »Ein wenig Fügsamkeit kann dir nicht schaden, wenn man betrachtet, wie sehr du heute meinen Zorn auf dich gezogen hast.«
»Ich werde es mir merken.«
»Du bist nicht annähernd so verängstigt, wie ich es mir wünsche«, stellte er stirnrunzelnd fest. »Offenbar ist es mir nicht gelungen, dir das nötige Quantum an Demut einzuflößen.«
Da sie bereits Zeugin geworden war, wie er seinen Mitmenschen Demut einflößte, verspürte sie nur wenig Lust, sich in diesen illustren Kreis einzureihen. Langsam lehnte sie sich an
die Wand und lächelte schüchtern. Allerdings erntete sie dafür nur wieder einen finsteren Blick, begleitet von einem lauten Aufseufzen.
»Ich möchte nicht, dass sich so etwas wiederholt«, stellte er mit Nachdruck fest.
»Es tut mir leid«, erwiderte sie aufrichtig. »Ich habe wirklich nicht geglaubt, dass mir Gefahr droht.«
Er nahm ihre Hand und umfasste sie eine Weile mit beiden Händen. Als er den Kopf hob, stand ihm tiefe Besorgnis ins Gesicht geschrieben. »Bitte, Pippa, bleib immer in meiner Nähe.« Er holte tief Luft. »Mir fehlen die Worte, um mein Entsetzen zu schildern, als ich dich vorhin in Martins Gewalt sah.«
Das war der Moment, in dem Pippa zu dem Schluss kam, dass jeder Frau mindestens eine Woche mit einem mittelalterlichen Lord vergönnt sein
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