Mein zauberhafter Ritter
obwohl ihm inzwischen einige Merkwürdigkeiten an Wyckham einfielen, die ihm nun, da er ihre Entsprechung einige Jahrhunderte später kannte, weitaus weniger absonderlich erschienen.
Stephen war so gütig gewesen, ihm einige Kleidungsstücke zu leihen, die Montgomery dankbar angezogen hatte. Schließlich brachte es niemanden weiter, unangenehm aufzufallen, wenn es sich vermeiden ließ. Er hatte Stephen versprochen, für ihn dasselbe zu tun, sollte sein Neffe sich jemals zufällig im 13. Jahrhundert wiederfinden, eine Vorstellung, die diesen jedoch offenbar mit Grauen erfüllte.
Der Gute hatte eindeutig ein wenig Zeit auf dem Kampfplatz nötig, damit ein richtiger Mann aus ihm wurde.
Leider sollte dieses freudige Ereignis heute nicht stattfinden. Stephen hatte nämlich vorgeschlagen, irgendeine Darbietung zu besuchen, die Pippa, wie er glaubte, interessieren würde; eine Reise, die einen frühen Aufbruch erforderlich machte. Der Gedanke, an nur einem einzigen Tag - geschweige denn einem Vormittag - nach London und zurück zu fahren, ließ Montgomery den Kopf schütteln. Doch was verstand er schon von modernen Kutschen? Vielleicht wurden die Pferde inzwischen so gut gefüttert und gepflegt, dass ihnen Flügel gewachsen waren.
Nun nutzte Montgomery die Gelegenheit, seinen Rittersaal gründlich in Augenschein zu nehmen. Inzwischen verstand er Pippas ungläubige Miene während der ersten Tage - so als traue sie ihren Augen nicht. Er hatte nie daran gezweifelt, dass
man aus Sedgwick etwas machen konnte, sofern es ihm endlich gelang, die lästige Verwandtschaft vor die Tür zu setzen, doch die prächtigen Wandbehänge und die frische Luft anstelle des Qualms aus dem verstopften Schornstein, grenzten wirklich an ein Wunder.
Als er schwere Schritte hörte, drehte er sich um und sah Stephen auf sich zukommen. Montgomery hatte schon am Vorabend erkannt, dass Stephen zwar die Beschützerrolle für Pippa und ihre Schwestern übernommen hatte, sich jedoch auf brüderliche Gefühle beschränkte. Also würde er ihn am Leben lassen.
»Guten Morgen, Mylord«, sagte Stephen mit einer Verbeugung.
»Das kannst du dir sparen«, erwiderte Montgomery, den diese demütige Haltung ein wenig zum Schmunzeln brachte. »Ich wage zu behaupten, dass du der Ältere von uns bist.«
»Ich möchte mich nur einschmeicheln, um in den Genuss der einen oder anderen Fechtstunde zu kommen.«
»Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wozu du das in der Zukunft brauchen solltest, aber ich tue dir den Gefallen gern. Vielleicht morgen. Denn schließlich möchte ich unsere heutige Reise nach London nicht stören ...«
Als sich leichtere Schritte durch den Saal näherten, blickte er auf, überzeugt, dass es Pippa war. Sie war es wirklich, allerdings zu seinem Entsetzen nur halb bekleidet. Rasch hielt er Stephen die Augen zu und starrte die Frau seiner Träume fassungslos an. Gut, sie trug wie er eine Hose und ein Hemd, das an eine Tunika erinnerte. Doch die Sachen bedeckten so wenig, dass sie genauso gut nackt hätte herumlaufen können.
Sie blieb ruckartig stehen. »Was ist?«
Er wies auf ihre Kleidung und beschloss im nächsten Moment, dass er vielleicht mit gutem Beispiel vorangehen und ebenfalls den Blick abwenden sollte. Also schaute er hinauf zur Decke. »Bei allen Heiligen, Frau, geh wieder nach oben und zieh etwas ... zieh einfach mehr an.«
»Warum?«
»Weil du Jeans anhast.«
»Du doch auch.«
»Ich bin ein Mann.«
Montgomery hatte den Eindruck, dass Stephen gelacht hatte. Er war zwar nicht sicher, fand jedoch, dass es nie zu früh sein konnte, dem Mann eine Lektion zu erteilen. Also nahm er die Hand von Stephens Augen und sah ihn finster an.
»Ein Blick auf sie, und du stirbst durch meine Hand.«
»Es ist nicht das erste Mal ...«
Montgomery wollte nach seinem Schwert greifen, als ihm einfiel, dass es in Stephens Gemach lag. Er musterte seinen Neffen mit zorniger Miene. »Ich brauche kein Schwert, um dir den Garaus zu machen.«
»Das glaube ich dir gern«, erwiderte Stephen mit schwacher Stimme. Nach einem kurzen Lächeln in Pippas Richtung war er so weise, die Wandbehänge neben dem Kamin zu studieren. »Wenn du darauf bestehst, obwohl ich dich darauf hinweisen muss, dass du heute noch um einiges mehr zu sehen bekommen wirst.« Er warf Pippa einen Blick zu. »Ich habe dir doch gesagt, dass es ein Fehler ist, ihn nach London mitzunehmen.«
»Er soll nicht allein hierbleiben«, entgegnete Pippa mit Nachdruck, »und ich werde deine
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