Mein zauberhafter Ritter
anderen Stern abgeworfen. Schon zu seiner Zeit hatte es in der Stadt von Menschen gewimmelt, nur dass ihre Anzahl verglichen mit den Massen von diesem Nachmittag noch überschaubar gewesen war. An der Kleidung der Männer fand er zum Großteil nichts auszusetzen, doch die Aufmachung der Frauen hatte ihn wirklich empört. Eigentlich hatte er sich nie für zimperlich gehalten, denn schließlich hatte er seine Erfahrungen mit den Sitten und Gebräuchen des höfischen Lebens ... das moderne London aber ...
Es genügte, um in einem Mann aus dem Mittelalter den Verdacht zu wecken, dass er seinen Dorfanger wohl besser nie verlassen hätte.
Inzwischen saß er in einem italienischen Restaurant und hoffte, dass die aus der Küche aufgetragenen Speisen etwas enthalten würden, das er kannte. Während er sich umsah, versuchte er, eine Liste der Vorzüge und Nachteile anzulegen, was jedoch nicht leicht war. In der Taverne herrschte ein ohrenbetäubender Lärm, die Musik klang fremdartig, und auf der anderen Seite einer niedrigen Trennwand rauchte jemand ein Kraut, von dem ihm übel wurde. Er drehte sich um und lauschte, als Stephen, Tess und Peaches die an diesem Nachmittag vorgeführten Kleider erörterten — Kleider, die die Sachen der Schwestern aussehen ließen wie eine Nonnentracht. Die drei hatten mehr als einmal betont, dass Pippas Entwürfe ihnen viel besser gefielen. Montgomery konnte sich zwar noch kein Urteil darüber erlauben, war jedoch sicher, dass sie recht hatten.
Als er die Darbietung, neben Pippa sitzend, verfolgt hatte, war er zu einigen Schlussfolgerungen gelangt. Die Bedeutendste davon war, dass sie trotz ihrer Beteuerungen, die Welt der Mode erobern zu wollen, in dieser Welt seiner Ansicht nach niemals glücklich werden würde. Wenn er die kantigen
Frauen - eigentlich eher Knochengerüste - betrachtete, die diese Kleider trugen, und dazu die Männer und Frauen mit den harten Gesichtern sah, die sie entworfen hatten ... nein, er konnte sich nicht vorstellen, dass Pippa den Rest ihres Lebens mit solchen Leuten verbringen wollte.
Er hatte eher das Bild vor Augen, wie sie in einem prunkvoll mit wärmenden Wandbehängen und Teppichen ausgestatteten Gemach Hof hielt und adelige Damen empfing, sie in kostbare Stoffe hüllte und sie mit denselben Märchen unterhielt wie ihn. Wahrscheinlich war es eine seltene Begebenheit, dass ein dickköpfiges Mädchen aus der Zukunft einem mittelalterlichen Burschen das Gefühl gab, ein Prinz von edlem Geblüt zu sein. Ein Prinz, der alles dafür tun würde, um sie zu seiner Prinzessin zu machen. Doch so war es nun einmal geschehen.
Als er zu ihr hinüberschaute, bemerkte er, dass sie ihn mit einem sehr verhaltenen Lächeln musterte. Er erwiderte es. »Wie fühlst du dich?«, erkundigte er sich.
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Dasselbe habe ich mich gerade umgekehrt gefragt.«
Da er annahm, dass niemand sein Französisch verstehen würde, glaubte er, sich die Diskretion sparen zu können. »Ich kann nicht behaupten, dass ich je ein Freund von London gewesen bin«, räumte er ein, »obwohl ich häufig mehr Zeit dort verbringen musste, als mir lieb war.«
»Am königlichen Hof?«
»Zufällig ja, richtig.«
Ihr blieb der Mund offen stehen. »Das sollte ein Scherz sein. Kennst du den König wirklich?«
»Anfangs hat mein Vater mich dazu gezwungen, ihn bei Hofe zu vertreten«, entgegnete er achselzuckend. »Und später war ich in eigener Sache dort.«
»Es muss seltsam sein«, murmelte sie. »An einem Ort zu sein, an dem du schon einmal gewesen bist, und ihn so verändert vorzufinden.«
Er schmunzelte. »Ich kann mir denken, dass du das verstehst.«
»Das tue ich wirklich«, stimmte sie zu und beugte sich vor. »Und wie findest du es bis jetzt? Was gefällt dir am besten?«
»Du«, antwortete er ohne zu zögern.
»Im Ernst.«
»Das war mein Ernst. Du bist bei Weitem das Unterhaltsamste, was mir heute untergekommen ist. Außerdem mag ich deine Schwestern und meinen Neffen und diese praktischen Wasserflaschen.« Er hielt inne. »Und Schokolade.«
Sie lächelte ihn an. »Stephen möchte nach dem Essen mit dir zu Harrods gehen. Vermutlich wirst du dir in der Halle mit den Essensständen deinen zarten mittelalterlichen Magen verrenken. Es gibt dort eine ganze Abteilung nur mit Schokolade.«
Montgomery verstand nicht ganz, wie man eine Halle nur mit Lebensmitteln füllen konnte. Doch vielleicht war das London zu Pippas Zeit ja viel wohlhabender als zu seiner. Als er
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