Meine beste Feindin
Story. Bevor das mit Langzeit-Lisa richtig fest wurde, hatten wir uns nämlich nachts um halb vier Uhr vor Sicilia’s Pizza fast mal geküsst.
Dass wir ein Paar wurden, war also nur logisch. Und es war der letzte Teil meines Dreipunkteplans auf dem Weg zur Dreißig, den ich kurz nach meinem neunundzwanzigsten Geburtstag im Januar entwickelt hatte. Um eine ausgeglichene Erwachsene zu werden, hatte ich mir überlegt, brauchte ich drei Dinge: liebe Freundinnen, einen tollen Job und einen fantastischen Mann an meiner Seite. Mir war klar, dass Amy Lee und Georgia die besten Freundinnen waren, die man sich nur wünschen konnte - wir kannten uns seit über zehn Jahren und waren praktisch wie eine Familie. Trotzdem hatten wir auch noch einen größeren Freundeskreis, so dass niemand sich eingeengt fühlen musste. Ich war Bibliothekarin in einem kleinen Museum in der Nähe des Common-Parks und liebte meine Arbeit. Was also passte besser zu mir als ein Partner, der so perfekt war, dass andere Frauen alles nur Erdenkliche taten, um irgendwie Eindruck bei ihm zu schinden? Ein Partner, der zuvor jahrelang ein guter Freund gewesen war? Mit Nate war endlich alles vollkommen. Eine goldene Zukunft lag vor uns, vor meinen Augen zogen die Bilder einer harmonischen Beziehung vorbei. Ich musste keine Angst vor dem Dreißigsten haben. Ich war eine richtige Erwachsene, das Leben verlief wie geplant, und das Klischee der Hilfe-ichwerde-dreißig-Krise betraf mich überhaupt nicht.
Und dass Nate mit seinem sanften Lächeln selbst Amy Lee zum Seufzen brachte, war quasi das Sahnehäubchen des Ganzen.
Auf der anderen Seite des Raumes drehte Nate sich gerade um, so dass ich selbst Gelegenheit hatte, seinen Hundeblick noch einmal zu bewundern. Und auch die Person, der sein Blick galt: Helen.
Ich fühlte, wie Wut in mir aufstieg, meine Kopfhaut kribbeln ließ und mir dann durch alle Glieder fuhr. Das Problem mit Helen war, dass sie die Superfrau schlechthin war, dachte ich, als ich mein Bierglas leerte und dann nach Oscars griff. Er protestierte nicht, sondern zog nur eine Augenbraue hoch, blickte Amy Lee an und schob sich in Richtung Theke, um Nachschub zu besorgen.
Da kam mir in den Sinn, dass meine Bekanntschaft mit Helen nichts anderes als eine Langzeitstudie über sie gewesen war. Das Ganze begann an dem Tag, als sie in den winzigen kahlen Raum stolzierte, der im ersten Semester unser gemeinsames Zimmer sein würde, mich und die Überreste meiner Highschoolfrisur anlächelte und Anspruch auf das Bett am Fenster erhob. Auf das bessere Bett. Ich versuchte nicht mal, ihr zu widersprechen. Ich war wie benommen.
Mit ihren schicken zerfetzten Jeans und ihrer festen Überzeugung, dass sowieso jeder mit ihr abhängen wollte, war Helen einfach cool. Unglaublich cool. Sogar die Tatsache, dass sie ein kreischendes Eselslachen hatte wie Janice in Friends , machte sie interessant, während so ein Lachen bei jedem anderen furchtbar dämlich gewirkt hätte. Nichts an Helen war dämlich.
Helen hatte überhaupt keine Skrupel, zum süßesten Jungen im Wohnheim zu gehen, zu fragen, was denn für den ersten Abend dort so geplant war, und sich dann selbst einzuladen. Es war ihr egal, dass weniger selbstbewusste Mädchen sie hassten. Sie schüchterte unseren Wohnheimvorsteher ein, indem sie einfach bei ihm auftauchte und sich in ihrer lässigen Art auf einem Stuhl drapierte. Sie schien den Neid und die Spannungen, die sie auf Schritt und Tritt heraufbeschwor, gar nicht zu bemerken.
Helen konnte gut mit Männern. Alle Männer, die sie kennen lernten, wollten mit ihr befreundet sein. Bei Frauen war das nie der Fall. Mit mir war es genau anders herum. Als ich achtzehn war, stammte mein gesammeltes Wissen über Männer aus Büchern und alten Warner Bros-Filmen. Ich verstand mich eben gut mit Frauen. In dem Augenblick, in dem ich Georgia und Amy Lee kennen lernte, war mir sofort klar, dass wir Freundinnen sein würden. Weil wir uns sehr ähnlich waren. Mit Helen zusammenzuleben war hingegen wie ein Blick in eine andere Welt. Ich durfte miterleben, wie es war, all das zu sein, was ich niemals sein würde.
Sie war die Superfrau. Achtzehn Jahre lang hatte ich gedacht, dass solche Mädchen nur in der Vorstellung von Hollywoods Drehbuchschreibern existierten. Und dann stieg ich als ihre Zimmergenossin sogar selbst in die Superfrau-Riege auf, wenn auch nur in meiner Fantasie.
Mit achtzehn hatte ich sie bewundert, jetzt, mit neunundzwanzig, wollte ich am liebsten
Weitere Kostenlose Bücher