Meine beste Feindin
lag frisch gebraten und aufgeschnitten in Sichtweite, denn ganz plötzlich wollte Amy Lee nichts Abgepacktes mehr, aber mich erklärte sie für verrückt.
»Ach, jetzt komm schon!«
»Gus, es ist mir völlig egal, ob du eine offiziell diagnostizierte Psychose hast oder nicht«, antwortete sie. »Nur, dass du es weißt.«
»Aber du hältst mich für verrückt.«
»Allerdings«, erklärte sie. »Die gute Nachricht: Das war schon immer so. Seit dem Tag, an dem wir uns getroffen haben. Du hast nicht aufgehört, über deine Mixtapes zu labern, und auf dem Kopf hattest du dieses …«
Sie fuchtelte an ihren Haaren herum und weckte unangenehme Erinnerungen an die Frisur, die ich bei Abschluss der Highschool getragen hatte.
»… dieses Ungetüm«, endete sie schließlich.
»Na, das ist ja sehr beruhigend.« Ich starrte auf mein eigenes Sandwich mit sonnengetrockneten Tomaten und Brie, normalerweise köstlich, heute allerdings praktisch geschmacksneutral, was mich betraf. Und das Heraufbeschwören früherer Haarstyles half mir auch nicht gerade.
»Damals sah es irgendwie süß aus«, log Amy Lee, als sie meinen Gesichtsausdruck bemerkte.
»Ich weiß nicht, ob ausgerechnet du heute über diese Dinge lästern solltest«, sagte ich schnippisch. »Du siehst gar nicht so tipptopp und makellos aus wie sonst.«
Es stimmte. Amy Lee wirkte erschöpft, und ihre Wangen glühten. Was beides mehr als untypisch war.
»Ich bekomme eine Grippe«, gab sie ungnädig zurück. Und offensichtlich zehrte diese Krankheit an ihren Energiereserven, denn sie verschlang mit einem Riesenhaps einen Großteil ihres Sandwiches.
»Ich will von dir hören«, erklärte ich und hatte ihre bevorstehende Grippe schon wieder vergessen, »dass Georgia deiner Meinung nach nur meine angebliche Verrücktheit unterstreicht, damit ihre eigene Situation mit diesem wie heißt er doch gleich …«
»Jared«, unterbrach Amy Lee. »Glaube ich zumindest. Oder vielleicht auch Justin. Ach nein, das war dieser Sänger.«
»Was sie selbst da abzieht, ist übel und ätzend und ebenso völlig verrückt, und darüber sollte sie sich Gedanken machen. Nicht immer nur über mich!«
Sie lächelte.
»Wenn es dich tröstet«, sagte sie, »Georgia halte ich auch für verrückt.«
Trotz aller Gegenwehr stand der Freitagabend schließlich vor der Tür.
Ich beging nicht den Fehler zu glauben, dass Georgia sich durch mein Gemaule abwimmeln ließ oder dadurch, dass ich noch nicht fertig sein würde, wenn sie mich abholte. Wenn ich bei ihrer Ankunft in Trainingsanzug rumhing und ein langes Gesicht zog, schleifte sie mich üblicherweise einfach in die Dusche, steckte mich anschließend in ein Outfit ihrer Wahl und scheuchte mich dann endlich zu Waterbury, Ellis und Reardon, wo ich gute Miene zum bösen Spiel machen musste.
Sosehr sie sich dabei auch amüsierte, ich tat es nicht, und so war ich wohl oder übel aufs Eleganteste herausgeputzt, als es an der Tür klingelte. (Es war sogar ein Lockenstab zum Einsatz gekommen, man höre und staune.) So viel also zur Wirksamkeit der Stoßgebete, in denen ich mir ausgemalt hatte, dass der Schnee sich zu einem Problem auswachsen und Georgia irgendwo stecken bleiben könnte. Es klingelte schon wieder - und ich konnte Georgias Ungeduld förmlich heraushören. Wie in Zeitlupe drückte ich schließlich den Summer.
»Wie schade«, murmelte Georgia, als ich ihr öffnete. Ihre Augen glitzerten gefährlich. »Ich hatte mich schon so darauf gefreut, deinen Arsch vom Sofa hochzuhieven und ihn in die Dusche zu verfrachten. Manchmal habe ich den Eindruck, ich wäre auch eine gute Gefängniswärterin geworden.«
»Ich freue mich so, dich zu sehen, wie schön, dass nichts dazwischengekommen ist«, sagte ich mit breitem, falschem Lächeln. »Und ich glaube, so etwas Beunruhigendes habe ich aus deinem Mund noch nie gehört. Und das will was heißen.«
»Wie auch immer«, gab Georgia zurück. »Dann wollen wir mal. Jared hat gesagt, er kommt später nach.« Das implizite »vielleicht« war nicht zu überhören.
»Fantastisch«, sagte ich und rollte mit den Augen, als sie mir den Rücken zuwandte. »Das kann ja lustig werden. Anwälte und Partner und dann auch noch Jared, mein lieber Schwan!«
»Leg dich nicht mit mir an«, warnte Georgia, während ich die Tür abschloss.
»Das würde mir niemals einfallen«, murmelte ich. Ich erwartete eigentlich, dass Erwin aus seinem Loch hervorkommen würde, aber selbst ihn schien der Anblick von Georgia
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