Meine beste Feindin
Leben, nur dass ich besser angezogen bin.«
»Ich meine, am Sonntag warst du doch noch auf dem Brunch«, erklärte ich und versuchte, ihren Tonfall zu ignorieren. Ihren extrem schnippischen Tonfall.
»Ja, und jetzt bin ich eben in Naples, Florida. Und nicht etwa, weil ich einen Strandurlaub mit Bikini und Cocktails gebucht hätte«, fügte sie hastig hinzu. »Chris Starling hat das allerdings noch nicht gemerkt. Er hat schon verkündet, dass er den ganzen Nachmittag am Pool zu verbringen gedenkt. Was die Klienten darüber denken, scheint ihn wenig zu kratzen.«
»Schön für Chris Starling«, sagte ich und stützte die Füße auf der Schreibtischkante ab. Minerva hätte vermutlich einen Herzinfarkt bekommen, wenn sie das gesehen hätte. Nicht weil sie sich groß um den Schreibtisch scherte, sondern weil sie Füße auf dem Tisch für eine »männliche Pose« hielt, und keine Frau sollte ihrer Meinung nach »männlich« wirken, wenn sie doch stattdessen ihre Weiblichkeit unterstreichen konnte. Glücklicherweise war sie heute zu sehr damit beschäftigt, an ihren stimmlichen Qualitäten zu feilen, um meine geschlechtliche Identität überwachen zu können.
»Sicher hat er viel Spaß«, fauchte Georgia, »aber er ist nun mal der Seniorpartner. Er sollte die Sache hier über die Bühne bringen. Wie auch immer. Er hat den Verstand verloren.«
»Ich dachte, das hat er schon vor langer Zeit«, meinte ich. »Wie damals, als er sich an dich rangemacht hat. Oder zumindest fast.«
»Irgendwas führt er im Schilde, so viel ist sicher«, murmelte Georgia. »Aber deshalb rufe ich nicht an.«
»Ich könnte noch tagelang über Chris Starling plaudern«, versicherte ich. »Und dabei ist es gar nicht von Bedeutung, dass ich ihn überhaupt nicht kenne.«
»Trotzdem, wie praktisch, dass sich das am Freitag ändern wird«, sagte Georgia begeistert. Ihr plötzlicher Enthusiasmus brachte mich so aus dem Konzept, dass ich einen Moment brauchte, um den Sinn ihrer Äußerung überhaupt zu begreifen.
»O nein!«, sagte ich mit Bestimmtheit. »Wie kommst du eigentlich auf die Idee, ich sei erpicht darauf, dich jedes Jahr auf die Weihnachtsparty im Büro zu begleiten?«
»Weil ich dich so gerne dabeihaben möchte natürlich«, erklang Georgias gefährlich eifrige Stimme. »Und außerdem, warum denn nicht? Da wimmelt es nur so von jungen, halbwegs attraktiven Typen. Die alle einen einträglichen Job haben. Und mit denen du dich mal verabreden könntest.«
»Du hasst doch alle Leute bei dir auf der Arbeit, und ganz besonders die jungen, attraktiven Typen«, frischte ich ihr Gedächtnis auf. »Du nennst sie Blutegel. Und das nur auf beruflicher Ebene. Wenn du persönlich wirst, hast du noch ganz andere Bezeichnungen auf Lager.«
»Doch nur, weil ich mich im Berufsalltag mit ihnen rumschlagen muss«, erwiderte Georgia verzweifelt. »Ich kann nicht fassen, dass du derart auf mich losgehst. Und im Übrigen, wann hattest du das letzte Mal eine Verabredung?«
»Eine was?«
»Na siehst du.« Sie schnaufte. »Du musst den Tatsachen ins Auge sehen, Gus, du hast dich schon viel zu lange in diese Post-Nate-Phase verbissen. Das letzte Wochenende hat das nur bestätigt. Was auch immer er zu dir gesagt hat - und natürlich war es mies, das bestreite ich ja gar nicht -, aber mit diesem Arschloch Henry im Auto mitzufahren, nur um dann auf Helen loszugehen, das ist doch krank . Völlig bescheuert.«
»Letztendlich bin ich ja gar nicht auf Helen losgegangen«, entgegnete ich pikiert. »Und wie ich dir schon hunderttausendmal gesagt habe, war die Autofahrt mit Henry wirklich sehr aufschlussreich.«
So hatte ich es bereits am Sonntag ausgedrückt, als ich meinen ungläubigen Freundinnen erklärt hatte, was am Abend zuvor passiert war.
»Aufschlussreich«, wiederholte ich immer wieder, »erstaunlich aufschlussreich.« Aber sosehr ich auch versuchte, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, wie zum Beispiel auf die Frage, was Nate gemacht hatte, nachdem ich von der Party verschwunden war, sosehr ritten sie darauf herum, dass ich überhaupt vorhatte, Helen fertig zu machen. Dass ich Nate nachstellen wollte, indem ich auf seine Freundin losging. Und das auch noch zusammen mit jemandem, den ich hasste. Den wir alle hassten und seit Jahren gehasst hatten.
Ich muss natürlich kaum erwähnen, dass sie von mir eine Version der Ereignisse gehört hatten, die sich eng an die zuvor von mir erfundene anlehnte. Soweit sie wussten, hatte Henry mich zuhause
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