Meine Brüder, die Liebe und ich - Higgins, K: Meine Brüder, die Liebe und ich
kribbeln.
„Ja, hab ich“, flüstere ich zurück. „Danke, Coach.“
„Schön für dich.“ Er lässt mich los – ich fühle mich einsam und verlassen – und trinkt einen großen Schluck aus einer der Wasserflaschen, die hier an die Läufer verteilt werden. „Das war ein toller Anblick!“ Er wischt sich die Stirn. „Du bist über die Brücke geflogen, als ob du Flügel hättest.“
Mein Herz quillt über vor Stolz und Freude. „Na ja“, sage ich bescheiden, „es ist einfach ein toller Tag zum Laufen.“ Ich werde ihn zum Feiern zu einem Bier einladen, entscheide ich spontan. Nur er und ich. Vielleicht besteht jadoch noch irgendwie die Möglichkeit, mit Trevor zusammen zu sein. Vielleicht erkennen wir, dass die Dinge sich geändert haben und …
„Hallo, Trevor.“ Wir drehen uns beide um. Und erstarren.
Vor uns steht Hayden Simms, Trevors Exverlobte.
Trevor wird sichtlich blass. „Hayden“, sagt er fast tonlos.
„Hallo, Chastity“, grüßt sie und mustert mich. Sie trägt weiße Jeans und eine pinkfarbene Bluse und sieht frisch und strahlend aus wie eine Blume. Das blonde Haar fällt ihr seidenweich auf die Schultern, und sie trägt mehrere Silberringe an den Fingern, wodurch sie schick und cool wirkt. An ihren gebräunten Armen klimpern silberne Armbänder. Ich merke plötzlich, dass ich meinen eigenen Schweiß riechen kann.
„Hallo“, sage ich. „Na, so was! Dich hier zu sehen!“
„Meine Mutter geht die Strecke“, erklärt sie und schiebt sich ihr perfektes Haar hinter die perfekten, kleinen Ohren. „Sie hat eine Krebstherapie überstanden, und da wollte ich natürlich dabei sein.“
Trevor hat noch immer nichts gesagt.
„Wie geht’s dir denn so, Trevor?“, erkundigt sich die perfekte Super-Hayden.
„Schön, dich zu sehen, Hayden“, sagt er leise. Dann beginnen seine Augen zu lächeln, und das restliche Gesicht macht mit. Ich spüre ein schmerzliches Ziehen in der Brust.
„Tja, ich sollte dann mal gehen“, sage ich. „Und Trevor: nochmals vielen Dank.“
Er löst seinen Blick von Super-Haydens perfektem Blondhaar und sieht mich an. „War doch klar, Chas. Gerne. Wir sehen uns. Guter Lauf!“
„Danke.“
Kein Bier. Keine Feier. Keine Erkenntnis.
Mist.
10. KAPITEL
A ls ich mit dem Hauptstudium begann, war ich sicher, über Trevor hinweg zu sein. Die Zeit hatte geholfen, mein gebrochenes Herz zu heilen und so weiter. Ich hatte ein, zwei feste Freunde. Auf der Columbia University war ich als klassischer „Eine von den Jungs“-Typ bei den Jungen recht beliebt, für etwas Ernstes jedoch zu beschäftigt. Ich ging hin und wieder aus … mit Jeff, einem Studienkollegen, der nett und witzig war und im zweiten Jahr einen Job bei CNN ergatterte. Dann gab es noch Xavier, den Chemielehrer. Aber wieder nichts Ernstes. Die Zeit war noch nicht reif. Ich lebte in New York, und in Manhattan denkt man frühestens ab Mitte dreißig übers Heiraten nach.
In den sechs Jahren nach unserer kurzen Affäre fanden Trevor und ich wieder in unsere lockere, freundschaftliche Beziehung zurück – nicht ganz wie Bruder und Schwester, aber definitiv mehr als nur gute Freunde. Ich strengte mich an, ihm nicht nachzutrauern und in seiner Gegenwart immer ausgesprochen fröhlich und freundlich zu sein. Es half, dass er nach meinem ersten Studienjahr die Universität von Binghampton verließ und seinen Abschluss in Vermont machte, bevor er die Ausbildung zum Rettungssanitäter begann. Ich verbrachte mein vorletztes Studienjahr in Frankreich, und als ich zurückkam, tat es kaum mehr weh. Ich bin noch jung, sagte ich mir. Jeder hat eine erste, tragische Liebe erlebt. Ich werde darüber hinwegkommen.
Doch eines Tages, im letzten Jahr meines Hauptstudiums, in dem ich als Rechercheurin für die New York Times arbeitete, rief Trevor mich an. „Chastity“, sagte er, „ich habe mir überlegt, dass wir uns treffen sollten. Vielleicht zum Essen? Ich komme nach New York City und besuche dich, was sagst du?“
„Gern!“, sagte ich. „Das wäre schön.“ Meine sofort heißen Wangen und zitternden Hände verrieten, was ich wirklich dachte.
Er war damals mit irgendeinem Mädchen zusammen, einer aus der Kaschmirpullibande in Binghampton. Sie wohnte zwanzig Minuten von Eaton Falls entfernt, und irgendwann nach seiner Uni-Zeit hatten sie sich angefreundet. Ich hatte sie sogar einmal getroffen, als ich mit den Jungs im Emo abhing. Ich war nett und freundlich gewesen und hatte versucht, darüber
Weitere Kostenlose Bücher