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Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Titel: Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vlada Urosevic
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hinter uns. »Beeilt euch!«
    Wir schafften es gerade noch, die Treppe zum Schutzraum hinunterzustürzen, als sich von oben schon schwer das Brummen der Flugzeuge über uns legte.
    Dann zerriss ein durchdringendes Pfeifen die Luft.
    Die erste Bombe schlug irgendwo weiter entfernt ein, die zweite – direkt danach – bereits in der Nähe. Durch die Kellerfenster flogen schubweise Erdreich, Glassplitter und glühend heiße Luft herein. Das Haus schwankte wie ein Schiff im Sturm: Die Explosionen setzten sich durch die Mauern und den Körper bis zum Zwerchfell fort und benahmen einem den Atem. Irgendwo draußen ging die Welt unter, stürzten Häuser ein, zersplitterte Glas, kreischte Holz verzweifelt auf, polterte Putz geräuschvoll von den Wänden; ein schwarzer, gieriger Abgrund schlang wie besessen alles hinunter. Im ganzen Keller roch es nach Rauch, frisch aufgerissener Erde und Mörtelstaub.
    Ein starker Luftstoß brachte die Kerzen zum Erlöschen.
    »Schnell«, rief Tante Anastasia, »wo sind die Streichhölzer?«
    »Die hab ich«, sagte meine Cousine Emilia und zog mit etwas zitternden Fingern die Streichholzschachtel aus der Tasche.
    Als wir ins Freie traten, rannten Menschen mit Wassereimern vorbei, aus den aufgerissenen Rohren der Kanalisation spritzten mitten auf der Straße Wasserfontänen empor,unter den Füßen knirschte Glas. Überall breitete sich Brandgeruch aus.
    »Sieh mal«, sagte meine Cousine Emilia und deutete auf den Rauch über den Dächern.
    Alle liefen durcheinander, schrien, erkundigten sich nach ihren Verwandten. Uns beachtete niemand. Wir liefen los und rannten durch die kleinen Sträßchen.
    Als wir ankamen, war das Haus der Küchenschaben-Oma schon fast vollständig niedergebrannt. Man hatte versucht, es zu löschen, aber nun war beinahe nichts mehr zum Löschen übrig.
    »Das bringt nichts mehr«, sagte einer der Umstehenden, »ihr war ohnehin nicht zu helfen.«
    Wir drängelten uns durch die Menschenmenge ganz nach vorn und starrten auf die glühenden Balken, den verbrannten Dachstuhl, die rußgeschwärzten Mauern. Ein Teil des Daches stürzte ein, Funken und Asche stoben auf. Ob es uns wohl nur so schien oder ob man wirklich ein Geräusch hörte, das uns bekannt vorkam – ein leises Zischen, als entweiche die Luft aus einem Ballon?
    Wir standen schweigend da. Ich warf meiner Cousine Emilia einen Blick zu. Sie starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Flammen. In ihren Pupillen flackerte der höllische Widerschein der Flammenzungen, die aus den Trümmern emporleckten. Plötzlich war mir, als nähme ich um ihre Lippen ein leichtes Zucken wahr: Sie verzogen sich zu einem grauenerregenden, bösen, zufriedenen Lächeln.

D AS E INHORN IM H INTERHOF
    In den letzten schönen Tagen des Altweibersommers, irgendwann gegen Ende September, wenn die Nächte ihre Wärme verlieren und plötzlich klar und frisch werden, bemerkten wir eines Morgens im Hinterhof ein Einhorn.
    Eigentlich entdeckte Opa Simon es als Erster. Er kam in die Küche, wo wir uns für die Schule fertig machten, und sagte ganz ruhig, als verkünde er etwas völlig Alltägliches: »Draußen steht ein Einhorn.«
    Im ersten Augenblick begriffen wir gar nicht, was er da gesagt hatte. Nur Oma Spomenka schaute ihn ungläubig an, und als sie merkte, dass er nicht gescherzt hatte, sondern vollkommen ernst blieb, bekreuzigte sie sich. Das war ein Zeichen dafür, dass sich etwas ganz und gar Ungewöhnliches ereignete. Wir sprangen auf und liefen hinter Opa Simon her.
    Das Einhorn stand auf den glatten Steinplatten im Hof und schaute neugierig zu uns herüber. Es war so groß wie ein kleineres Pferd, doch sein Fell war länger, glatter und glänzender als bei einem Pferd. Es hatte einen wunderschönen Kopf mit einem kleinen, fedrigen Bärtchen und dunklen, traurigen Augen. Es wirkte sehr weise. Das spiralförmig gedrehte Horn war milchweiß mit einem ganz leichten Gelbstich, zur Wurzelhin dunkler, an der Spitze heller. Es war ein fantastisches, unglaubliches Tier, das da in der Frische dieses Septembermorgens wie ein Kleinod vor uns stand; die feuchten Steinplatten, der klare Morgenhimmel, die gurrenden Tauben auf dem Dach, die ersten Herbstblumen bei der Schwengelpumpe – all das verlieh seiner Erscheinung einen prachtvollen und glänzenden Rahmen.
    Das Einhorn warf einige Male den Kopf hoch und stand dann still: Es betrachtete uns abwartend, ohne Misstrauen oder Furcht. Meine Cousine Emilia näherte sich ihm. »Sei vorsichtig«, sagte

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