Meine erste Luege
miauen.
»Wir sind von den Zeugen Jehovas, ist da jemand?«
Ich bin wie erstarrt, mein ganzes Blut gefriert.
»Nein, da ist nur eine Katze, lass uns gehen.«
3
Heute hat Antonella einen Pferdeschwanz.
Und eine Spange in Form eines Marienkäfers. Es bringt Glück, wenn ein Marienkäfer auf dich drauffliegt. Ich möchte gröÃer sein, allein mit ihr ins Kino gehen, mich in die letzte Reihe setzen und sie küssen. Normalerweise kann ich mich ablenken, wenn ich an etwas Unmögliches denke. Und dann wird alles wieder wie vorher, und aus und amen.
Aber heute ist es anders.
Es ist wie mit Zahnschmerzen, wenn sie fünf Minuten aufhören, scheint dir, du hast nie welche gehabt, doch dann sind es die Zahnschmerzen selbst, die sich deine Aufmerksamkeit zurückholen. Dir scheint, du hast nur noch Zähne, du bist ein riesiger Zahn, der an nichts anderes denken kann. Du wirst dein Zahn, nur er ist dir wichtig. Du möchtest ein Gebiss haben und es in ein Glas auf dem Nachttischchen legen, wie Opa es machte, das Gebiss lächelt von allein, und du denkst nicht mehr daran, kein Grund mehr, sich Sorgen zu machen.
Es ist wie der Regen, diese Art Regen, bei dem du keine Hoffnung hast, dass er je wieder aufhört.
Auch die Bäume sind in einer Art dünnem Nebel verschwunden, es sind Platanen, solche von der Art, wo die Autos gegendonnern.
Auch Ciccio Broccolo sieht aus dem Fenster.
Ciccio ist stark, aber frag ihn nie, ob du mal von seinem Brötchen abbeiÃen darfst. Ciccio heiÃt eigentlich Francesco, doch nur die Erwachsenen nennen ihn Francesco, wenn sie ihn ausschimpfen müssen.
Mama sagt, dass dicke Kinder als Erwachsene eine Menge Probleme bekommen, ich bin nicht dick und habe schon jetzt eine Menge Probleme.
Ich glaube, ich sehe ziemlich gut aus, weil das sagen alle.
»Du bist das Ebenbild deiner Mutter.«
Andrea fragt mich, ob ich nachmittags mit ihm ins Kino gehe.
»Elisabetta hat Geburtstag, und da gehen wir alle ins Kino.«
»Ich hätte schon Lust. Ich rufe dich nach dem Mittagessen an.«
»Erlaubt deine Mutter es dir?«
»Ich hoffe, ich kann sie überreden.«
»Ich sage meiner Mutter, sie soll deine Mutter anrufen«, sagt er.
Schweinsdreck, denke ich, okay.
Ich sage zu ihm:
»Okay.«
Und denke, dass ich mir später irgendwas einfallen lasse.
Es ist sehr schwierig, es so zu machen, dass die anderen nichts mitkriegen, wenn sie nicht Bescheid wissen.
Mit einem Teil von meinem Kopf höre ich dem Unterricht über die Hominiden zu, alle Entwicklungsstufen des Menschen bis zum Homo sapiens, was dann wir wären, mit dem anderen denke ich über eine Lösung nach. Ich würde gern ins Kino gehen, schon um mich abzulenken.
Ich weià nicht einmal, ob ich wirklich Lust habe, mit ihnen ins Kino zu gehen, aber ich habe Lust, dass alles normal ist. Und es wäre normal, mit Andrea und seiner nervigen Schwester ins Kino zu gehen.
Ich frage mich, wie es wäre, eine Schwester zu haben, ob es besser wäre, eine gröÃere oder eine kleinere zu haben, wie Elisabetta, die von Andrea. Ich habe oft darüber nachgedacht, aber ich bin zu keinem Schluss gekommen. Manches spricht dafür, manches dagegen.
Jetzt zum Beispiel wäre es eine Katastrophe. Schwestern können den Mund nicht halten, weil sie Mädchen sind und meinen, dass sie alles besser wissen. Andreas Schwester mischt sich immer ein, bildet sich immer ein, klüger zu sein, und wenn du sie dann mit irgendeinem Rätsel hereinlegst, bricht sie in schrilles Kreischen aus, weil sie kann es nicht ertragen, irgendwas nicht rauszukriegen. Wenn sie Plätzchen backt, müssen alle sie essen, und sie sind schrecklich, weil sie steinhart sind, wie Torrone, nur ohne den Geschmack von Torrone. Sie schmecken nach angeknabbertem Bleistift, und ich hasse Bleistifte, auch in Form von Plätzchen, ich mag keine Bleistifte, denn auch wenn du ausradierst, was du gemacht hast, bleibt irgendwo doch immer ein dunkler Rand. Andererseits aber, wenn ich eine kluge und gewitzte Schwester hätte, eine Schwester ganz für mich, wäre es besser, denn dann hätte ich wenigstens jemanden, mit dem ich reden könnte.
Ich bin mir sehr unsicher bei dieser Geschichte mit den Schwestern. Vielleicht könnte ich einen Bruder gebrauchen, aber auch in dem Fall hängt es von dem Bruder ab, ich weià nicht. Einen Zwillingsbruder vielleicht, ein Zwillingsbruder muss ja
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