Meine erste Luege
schlafen.«
Mama zündet sich noch eine Zigarette an und dreht eine Strähne um einen Finger, Giulia starrt vor sich hin, betrachtet den Rauch, der sich um sich selbst dreht, auf der Suche nach einer Eingebung oder dem richtigen Augenblick, um sich abzuseilen.
Da kann ich auch genauso gut das Ohroskop deaktivieren, denn manche Gespräche bleiben in der Schwebe, mit ganz vielen Pünktchen hintendran.
Manchmal schlägt Giulia ihr vor, mit Freunden zum Essen auszugehen, und Mama erfindet eine Entschuldigung, die normalerweise ich bin.
»Tut mir leid, heute Abend muss ich bei ihm bleiben, du weiÃt ja, wie er ist â¦Â«
Dann wieder sagt Mama, dass sie unter Einsamkeit leidet.
»Die Einsamkeit ist ein fernes Pfeifen, das in den Kopf eindringt, wie die Schiffe, die schon in See gestochen sind und die du nicht mehr erreichen kannst, nicht mal, wenn du schwimmst.«
Sie sagt:
»Wenn die Schiffe die Anker gelichtet haben und die Züge abgefahren sind, kannst du nichts mehr machen, du siehst einen hellen Schimmer am Horizont, der nach und nach im Nebel verschwindet, wie eine Erinnerung, die vergessen wird und im stumpfen Grau der Gegenwart verblasst.«
Sie sagt:
»Ich habe so das Gefühl, am Rand zu stehen, auf einem leeren Bahnhof, zu spät, was das Leben angeht.«
Mama fühlt sich allein, dabei ist sie nie allein, weil ich bin immer bei ihr, aber das ist wohl nicht genug. Um sich nicht so allein zu fühlen, ist sie auch zu einem Mann mit einem Bart gegangen, um mit ihm zu sprechen, und der hört ihr einmal in der Woche in einer Wohnung voller Bücher voller komplizierter Gedanken zu, ich habe ein paar durchgeblättert, während ich im Vorzimmer wartete. Aber ich frage mich, wie es einem gefallen kann, irgendeinen dafür zu bezahlen, damit er einem zuhört, damit er einen gernhat.
Ich habe sie umsonst gern, aber das ist wohl nicht genug.
Vielleicht will sie mir ihre düsteren Gedanken nicht direkt gestehen. Manchmal schreibt sie sie mit klitzekleinen Worten auf verstreute Zettel, die sie dann auf dem Tisch vergisst, oder sie diskutiert leise mit irgendeinem darüber, sie spricht sacht und bewegt sich sacht.
Das hat sie auch neulich abends gemacht.
Manchmal bewegt Mama sich wie in Zeitlupe.
Wenn sie noch langsamer ist als sonst, beschlieÃt sie, ein paar Tage nicht zur Arbeit zu gehen.
»Eines Tages werden sie mich bestimmt entlassen.«
Ich glaube, das ist eines Tages passiert.
Da hat sie sich ein paar Tage genommen, um zu schlafen.
Normale Leute fahren in Urlaub, wenn sie nicht arbeiten.
Letztes Jahr hat auch Mama sich eine Woche richtigen Urlaub genommen und ist mit mir nach Venedig gefahren.
»WeiÃt du, dass du einen Mann, wenn du mit ihm nach Venedig fährst, bevor du verheiratet bist, dann nicht mehr heiratest? Das ist mir auch einmal passiert.«
Oder mehr als einmal.
Venedig kommt einem weniger wie eine Stadt als wie ein Buch vor, eines von diesen Aufklappbüchern mit dreidimensionalen Sachen drin, die aus den Seiten herauskommen und sich plötzlich vor den Augen auseinanderfalten. Du gehst um eine Ecke, und es ist, als würdest du eine Seite umblättern und in einer anderen wunderbaren Geschichte versinken. Venedig ist, als hätte man es sich ausgedacht. Die Häuser sind alt, und jede Einzelheit der Fassaden sieht so aus, als hätte sie ein Architekt mit einem Zauberhut auf dem Kopf ausgeklügelt. Es gibt keine Autos, und man kann überall gehen, die Gondeln gleiten über das Wasser, gesteuert von einem einzigen Seemann mit einem gestreiften T -Shirt, wie ich auch eins habe.
Mama und ich haben einen Rundgang gemacht, wie es die Pärchen tun.
»Findest du diese Stadt nicht zauberhaft? Na? Ist es nicht unglaublich, dass es auf der Welt noch solche Orte gibt?«
Wir haben Kirchen und Museen mit jahrhundertealten Gemälden besichtigt, wo man flüstern muss, um nicht zu stören. Und wir haben einen speziellen Platz mit einer Art Bogen entdeckt, wo alle die Kaugummis hinkleben, und haben eine Pause gemacht, um im Portikus eines Palasts am Kanal ein Spiel zu spielen. Wenn du es schaffst, über die Sockel der Säulen zu gehen, hast du einen Wunsch frei, wenn du nicht runterfällst, wird der Wunsch erfüllt, das schafft fast niemand, aber es macht SpaÃ, es zu probieren.
»Du darfst den Wunsch nicht aussprechen, sprich ihn nicht aus, denn weiÃt du, wenn du ihn aussprichst,
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