Meine Frau will einen Garten
Blockflötenunterricht zu blöde werden. Und den Jugendlichen würde sowieso langweilig werden. Man nennt das, sagt er, die »Renaissance der Stadt«. Fragt sich nur, ob ich die noch erlebe.
Bis dahin bin ich ein böser Mensch, der seiner Familie das Nötigste versagt. In einer zentral gelegenen Altbauwohnung in München, die für fünf Menschen vielleicht ein bisschen sehr gemütlich und vollgestellt ist, sitzt sie gartenlos in der herbstlich einsetzenden Dunkelheit und wartet, statt Apfelbäume pflanzen zu dürfen, auf die Renaissance der Stadt.
Dann kommt der Winter. Wahr ist: Unser Leben fühlt sich in unserer Wohnung manchmal so an wie die Hauptverkehrszeit in der Regionalbahn im Großraum
Tokio. Dort leben dreißig oder vierzig Millionen Menschen. Nur müssen die nicht alle gleichzeitig ins Bad.
Erst ist man schlafloser Zehenwackler, dann waschbärartiger Hauseigentümer, dann Pendlerpauschalenausrechner. So ist es doch. Ein Leben im Sinkflug. Das ist das Leben eines Mannes mit Familie, der immer nur eines wollte: in der Mitte von München leben. In Schwabing, Haidhausen, in der Au. Aber nicht, niemals und unter keinen Umständen: in, keine Ahnung, Obermenzing vielleicht. Obermenzing hört sich für mich nicht nach Stadt an, sondern nur nach dem Glück, nicht in Untermenzing leben zu müssen. Pia sagt eines Tages, es ist ein Sonntag: »Obermenzing klingt nach Kirchturmspitzen, Stille und einem Gasthof, der ›Zur Post‹ heißt.« Sie blättert im Immobilienteil.
»Das ist es ja«, fahre ich sie an, »wer will schon Stille? Höchstens Leute, die sie dann mit ihren Laubstaubsaugern zunichtemachen und außerdem CSU wählen.«
»Fahr mich nicht so an! Stille würde dir mal ganz guttun. Dir und der SPD.« Politisch gesehen ist unsere Ehe eher eine Koalition als eine Liebesheirat.
Hätte ich einen Garten, denke ich, könnte ich jetzt vor Wut Holz hacken oder Schnee schaufeln.
Offenbar hat das Projekt Haus & Garten nun einen Namen: »Obermenzing«.
Abends im Bett lese ich in einem Buch, dessen Held schmutzige große Städte auf der Suche nach Abenteuern durchstreift. Pia fragt mich mit versöhnlichem Unterton:
»Was ist eigentlich das Problem? Wir müssen ja kein Haus bauen oder kaufen. Wir können auch eines mieten. Wichtig ist doch nur der Garten.«
Ich könnte ihr jetzt antworten, dass alle Begriffe, die mit »Haus« anfangen, meist nicht gut enden. Ganz unabhängig vom Mieten oder Kaufen. Zum Beispiel »Hausschwein«. Ein Hausschwein ist das Gegenteil vom Wildschwein, und während das Wildschwein fröhlich durch die Eichenwälder spaziert, wird das Hausschwein alsbald zur Schlachtbank geführt, um als Schweinebraten mit Knödel und Kraut zu enden. Auch der Hofhund ist jemand, der an seiner Kette zerrt und herumkläfft, während der wilde Wolf wenigstens den Mond anheult. Haus und Hof: Das sind Dinge, die etwas Domestizierendes an sich haben. All das könnte ich nun meiner Frau entgegenhalten. Aber dann würden wir wieder darüber reden, ob ich nicht lieber ein unverheirateter Single ohne Kinder sein möchte. Das denkt sie oft. Damit tut sie mir Unrecht, ich bin gerne mit ihr verheiratet, sie ist die Liebe meines Lebens, und weil sie Kinder wollte, wollte ich auch Kinder. Und die Kinder sind auch die Liebe meines Lebens. Nur manchmal, so zwischen Donnerstag und Wochenende, will ich gerne ein unverheirateter, kinderloser Single sein. So wie das Hausschwein vielleicht auch gerne mal aushäusig wäre, um ein bisschen Wildschwein zu spielen.
3. Kapitel, in welchem sich das große Whaaaammmmmm als Beginn meiner Haus-und-Garten-Karriere herausstellt. Wie so manches Unheil und so manches Schöne ereignet es sich in Berlin.
Es ging damals, Ende der neunziger Jahre in Berlin, die Treppe hoch zu einer Party, in irgendein charmant verlottertes Haus in Kreuzberg, was damals noch nicht so zweitligahaft war wie heute, da jeder bessere Kreative, der »was mit Medien« macht, in der Kastanienallee wohnt. Ich war mit einem Freund unterwegs am Mehringdamm, mit Johannes, weil ich nichts Besseres zu tun hatte. Johannes sagte, ich solle mit zu der Party gehen. Das sei die Abschiedsparty einer niedlichen, extrem interessanten Praktikantin aus dem Verlag. Nach zwei Monaten Volontariat wolle die Niedliche, die übrigens Pia heiße, nun wieder nach Braunschweig an die Uni zurück.
Ich war skeptisch: Alles, was Johannes extrem interessant fand, entpuppte sich meist als üble Bierspelunke, als finnischer Problemfilm mit
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