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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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großer Fan zivilisatorischer Errungenschaften.
    Dort, am Bayerwaldkamin, hatte ich mich gesehen, mit meiner Frau im Arm an feuerknisternden Abenden. Und mit drei süßen Kindern noch dazu. Süß und schlafend. Das wäre auch Pias zunehmend beunruhigendem Zug zum Landleben entgegengekommen.
    Genial. In der Woche: kleine, metropole Stadtwohnung, urbanes Leben, Nächte um die Ohren hauen, Kino, Theater, das volle Programm. Am Wochenende: Kuhglocken, Brennholz, Haus, Idyll, das volle Programm. Ich komme mir vor, als hätte ich die definitive Roadmap verfasst, um das Nahostproblem zu lösen. Die Bayerwaldstrategie ist eine Art Friedensinitiative, um die unlösbaren Feindseligkeiten zwischen Metropolisten und Regionalisten einzudämmen. Höchste Zeit ist es ja. Denn, täusche ich mich, oder zählt Pia nicht mehr Minuten, sondern Parkplatzsuchrunden? Nicht mehr Höhenmeter, sondern Stufen? Und nicht mehr Tage, sondern Einkaufstüten?
    Deshalb die Idee mit dem Landsitz. Ebenerdig. Parkplatz für fünf Traktoren. Und Milch von der Kuh vor der Tür. Leider ist es saukalt. Anton hustet seit November. Julia weigert sich, nachts aufs Klo zu gehen, weil der Boden gefroren ist. Sie fängt an, mit Hausschuhen zu schlafen. Nur Max, dem Hool, macht das alles
nichts aus. Zäher Bursche. Meine Frau springt also ab Januar an den Wochenenden zwischen den Kinderbetten und dem Kamin hin und her, müde und erschöpft und verfroren. Ab Februar sitze ich vor dem Kamin und starre einsam ins Knisterfeuer.
    Der Witz an kalten Wochenendhäusern - ohne Zentralheizung - ist ja: Wenn man ankommt, am Freitag, ist es erbärmlich kalt. Dann schultert der Mann die Axt, geht in den Garten und ist dermaßen existenzialistisch, dass es schon wieder komisch ist. Dann feuert man. Und immer so weiter: Axt, Holz, Feuern, Axt, Holz, Feuern. Dann kommt der Samstag. Am Samstag putzen die umliegenden Bauernburschen ihre getunten Autos und hören Bayern 3 - während die Freundinnen sich beim Aufbrezeln für die Dorfdisco alle ihre zehn Kuschelrock-CDs hintereinander reinziehen. So hört sich unser Tal an. Das Tal, in das die Städter fliehen, um intakte Natur und unendliche Stille zu finden. Das ist genau das, was echte Landmenschen als Wahnsinn bezeichnen. Als Stadtwahnsinn. Mich dagegen können sie, in meiner prinzipiellen Landaversion, ganz gut verstehen. Sie wollen auch alle in die Stadt.
    Nach dem Bayern-3-Inferno kommt der Sonntag. Das ist wie Frühling. Mörikehaft. Süße, ahnungsvolle Temperaturen. Denn jetzt wird es langsam warm im Haus. Nur muss man jetzt nach München zurückfahren. Im Gepäck die Andeutung einer veritablen Ehekrise, schwielige Daumen und hustende Kinder, eines davon mit allen Anzeichen chronischer Harnverhaltung.

    Zu Hause wartet eine zu kleine Wohnung auf uns. Wir geben das Projekt »mondäne Stadt-Land-Exisenz« auf. Es ist mittlerweile März, ein Jahr später, und ich sitze wieder in unserer Wohnung, Pia blättert sich durch die Immobilienanzeigen wie eh und je. Ich denke darüber nach, ob nicht mein Schicksal alles von langer Hand vorbereitet habe. Sachte, ganz sachte werde ich in Richtung Rand geschoben. In Richtung Stadtrand. Von Rändern kann man runterfallen. Und außerdem gibt es nur an den Rändern auch die Abgründe. Wenn man aber nur lange genug in den Abgrund schaut, sagt die Philosophie, dann schaut der Abgrund auch in dich hinein. Ich will nicht, dass der Stadtrand in mich hineinschaut.

    Pia gibt nicht auf. »Noch eine Windel«, sagt sie eines Tages, »eine einzige, und ich breche unter den Billionen weggeschafften und vom dritten Stock über den Keller in den Müllraum unseres Hauses entsorgten Windeln zusammen wie die Weltwirtschaft. Willst du das?«
    Pia liest immer gern im Immobilienteil. Ich im Grunde auch. Aber nur, um mich unter meinem Niveau zu amüsieren. Ich liebe den Erfindungsreichtum der Makler. Wenn die schreiben »4-Zi-Kü-Bd, zw. idyll. Schlosspark Ny-B. und urb. Lm. Zentr. gel.«, dann heißt das übersetzt: Du wirst in der Laimer Unterführung leben, in einer dunklen, schmutzigen Feinstaubexistenz, weit, weit von Nymphenburg und seinem Schlosspark entfernt und nahe einer achtspurigen
Stadtautobahn - also exakt zwischen dem urbanen Laimer Zentrum und dem Idyll Nymphenburgs.
    Dass diesmal etwas anders ist, merke ich an einem Samstag. Pia hat zum Frühstück den Immobilienteil unter der Rubrik »Häuser« aufgeblättert. Aber nicht nur aufgeblättert, sondern mit Leuchtstiften markiert. Das ist neu, das

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