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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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walisischen Untertiteln oder als schwere Neurotikerin. Aber ich hatte nichts Besseres vor. Und dann stand sie da. Klein, sehr schlank, blond, mit grünen, etwas schräg geschnittenen Augen. Sie stand oben und guckte zu uns runter. Ich stand unten und guckte zu ihr rauf. Und: Whaaaammmmmm. Das ist meine Version.

    Pia besitzt nur gelinde Ähnlichkeit mit einem Original-mit-Untertitel-Problemfilm. Allerdings, das ist eine Analogie, besteht sie immer auf die je eigene, ungeschmälerte Version. Übersetzungen meidet sie. Sie ist gewissermaßen Expertin, was die eigene Sicht der Dinge angeht.
    Den fraglichen Abend in Berlin hat sie ganz anders gesehen. Sie sagt: Sie sei gar nicht oben gestanden, sondern habe den Tisch gedeckt. Dann sei ihr Freund Johannes ins Zimmer gekommen. Im Schlepptau einen Münchner Sakkotypen auf großer Berlinfahrt mit interessantem Akzent, den sie erst nicht recht verstanden habe. Das Walisischfinnische habe sich bald als Bayerisch herausgestellt. (Meine Frau kommt vom Niederrhein, einem so schönen wie platten Land, wo die Menschen kleine hügelige Endmoränen schon für eine unangebracht alpine Aufgeregtheit halten.) Und der Typ, ich also, sei ihr etwas neurotisch vorgekommen. Was typisch sei für Johannes, der habe immer solche Freunde.
    Jedenfalls hätte ich dann im Verlauf des Abends ihre beste Freundin Anna unbeholfen angebaggert, sei bald betrunken gewesen - und als ich gegen drei Uhr morgens darauf bestanden hätte, dass jetzt alle noch zu Ben Becker in die Kneipe gehen, um Kicker zu spielen, da hätte sie mich praktisch schon abgeschrieben. Erst Tage später seien wir uns nähergekommen: in wunderbar tiefen Gesprächen über dies und das. Ein Whaaaammmmmm habe es also gar nie gegeben. Das
hindere mich aber sicher nicht daran, auch weiter ans große Whaaaammmmmm zu glauben.
    Stimmt. Ich bin abseits der Kirche ein gläubiger Mensch. Und meine Version ist schöner. Pia findet mich an guten Tagen romantisch. An schlechten realitätsfern. Zum Beispiel sei es realitätsfern, mit Kindern in der Stadt wohnen zu wollen.
    Ein bezahlbares, familienfreundliches Haus am Stadtrand, öffentlich gut erschlossen, nahe bei einem Wäldchen, versorgt mit allem, was man braucht, mit Straßen, auf denen Kinder spielen können, und Schulwegen, die sicher sind. »Das ist etwas Handfestes, etwas Richtiges.« Pia sagt, ziemlich exakt zehn Jahre nach Berlin, mitten in unserem schönen München-Innenstadt-Leben: »Das machen wir jetzt.«
    Was denn so toll sei am Leben in der Stadt mit Kindern, will sie wissen. Der Feinstaub? Die laute Tram? Die Abwesenheit von Kindergartenplätzen? Das Vernichten von Zeit durch die Parkplatzsuche? Das Tütenschleppen? Das Chaos?
    Ich sage: »Es geht ums Gefühl. Die Stadt ist … irgendwie … also …«
    Sie: »Ja?«
    »Irgendwie lebendiger. Ja, Leben ist Chaos. Chaos ist gut.«
    Pia sagt, das sei Blödsinn. Und sie sei keine Braunschweiger Studentin mehr, die sich die Nächte mit einem Münchner Typen in Berliner Kneipen um die Ohren haue. Genau das finde ich ja so schade.

    Der Punkt ist: Wir haben uns in Berlin kennengelernt, dann, nach ein oder zwei Jahren, ist sie zu mir nach München gezogen. Dann kam unser erstes Kind zur Welt, dann das zweite, dann das dritte. Das ist natürlich nur die Zusammenfassung, was ich sagen will: Unser Schicksal war die Großstadt. Wir kommen beide aus kleinen Provinzstädten, waren beide froh, an die Unis und in die Städte fliehen zu können, und haben danach immer irgendwo in möglichst großen Städten gelebt. Möglichst im Zentrum.
    Dann kam Julia zur Welt. Und ich gebe zu: Es war keine glückliche Idee, aus dem dunklen begehbaren Kleiderschrank, der im Mietvertrag als »0,5 Zimmer« ausgewiesen war, das Kinderzimmer zu machen. Nur für den Anfang, dachte ich. Kleine Kinder kommen ja aus der Höhle gewissermaßen. Sie sind praktisch lichtscheu.
    Es dauerte zwei Wochen, bis ich unterwegs war auf dem Münchner Immobilienmarkt.
    Ich mache es jetzt kurz. Ich fand eine gute Wohnung. Ideal für ein großes, helles Kinderzimmer. Nur nicht mehr ganz so zentral und nicht mehr ganz so bezahlbar. Dann, drei Jahre später, kam Anton zur Welt. Die Wohnung war wieder zu klein. Wir zogen um. Dann kam Max, der Hool. Wir zogen erneut um.
    An sich ziehe ich gern um. Als Student hatte ich manchmal nur Wohnungen für ein paar Wochen oder Monate. Seit zwanzig Jahren lebe ich in München. Das sind mittlerweile zehn Wohnungen. Von mir aus hätten es noch ein paar

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