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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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offenkundiger Bewunderung auf Englisch, bis sie ihr Ziel erreicht hatten, nämlich die Aufmerksamkeit der anwesenden deutschen Soldaten auf sich zu lenken. War ihnen das gelungen, ließen sie den Stadtplan liegen, entfernten sich plaudernd ein Stück weit und warteten auf das Resultat. Das Resultat ließ nie lange auf sich warten. Die Soldaten stürzten sich auf den Stadtplan, erörterten ihn auf Deutsch, ereiferten sich, schmähten und beschimpften ihn und verunglimpften seinen Verfasser, zurgrößten Zufriedenheit der Studenten. Was den Verfasser betraf, waren die Soldaten stets geteilter Meinung; einige glaubten, er sei ahnungslos, aber wohlmeinend; die anderen glaubten, er sei ein ausgemachter Depp.
    Freitag, 16. Februar 1906
    Susys Biographie erwähnt den kleinen Langdon – Ortswechsel von Buffalo nach
Hartford – Mr. Clemens berichtet vom Verkauf seiner Buffaloer Zeitung
an Mr. Kinney – Spricht über Jay Gould, McCall und Rockefeller
    Aus Susys Biographie
     
    Als Langdon ein kleines Baby war, hielt er in seinem Händchen immer einen Bleistift, das war sein großes Spielzeug; ich glaube, man sah ihn nur höchst selten ohne einen solchen in der Hand. Wenn Tante Susy ihn auf dem Arm hielt und er zu Mama wollte, streckte er die Hände nach ihr aus, und zwar mit dem Handrücken nach oben statt mit der Handfläche. (Etwa ein Jahr und fünf Monate) nach Langdons Geburt kam ich zur Welt, und damals war es meine Hauptbeschäftigung, zu weinen, und so dürfte ich Mamas Sorgen stark vermehrt haben. Kurz nach der Geburt des kleinen Langdon (ein Jahr) zogen Papa und Mama nach Hartford. Ihr Haus in Bufalo erinnerte sie zu sehr an den lieben Großpapa, und so ließen sie sich kurz nach seinem Tod in Hartford nieder.
    Kurz nachdem der kleine Langdon geboren wurde, kam eine Freundin von Mama zu Besuch (Emma Nigh) und erkrankte an Typhus. Schließlich war sie so im Fieberwahn und so schwer zu pflegen, dass Mama einige ihrer Freundinnen aus Elmira herbitten musste, damit sie ihr bei der Pflege halfen. Auch Tante Clara kam (Miss Clara L. Spaulding). Sie ist keine Verwandte von uns, aber wir nennen sie Tante Clara, weil sie eine enge Freundin von Mama ist. Sie kam und half Mama, Emma Nigh zu pflegen, doch trotz all der guten Pflege, die sie erfuhr, verschlechterte sich ihr Zustand, und sie starb.
     
    Susy hat recht. Die anderthalb Jahre in Buffalo hatten uns so mit Schmerz und Schrecken erfüllt, dass wir nicht länger bleiben, sondern umziehen wollten,entweder an einen Ort mit angenehmeren Assoziationen oder an einen mit gar keinen. Infolge der strengen Bedingungen jenes furchtbaren Gesetzes – des Trauerjahrs –, das den Trauernden der Gesellschaft und Kameradschaft seiner Mitmenschen beraubt, gerade wenn er am meisten auf sie angewiesen ist, schlossen wir uns im Haus ein und wurden Einsiedler, besuchten niemanden und empfingen von niemandem Besuch. Es gab eine Ausnahme – eine einzige. David Gray – Dichter und Herausgeber der wichtigsten Zeitung – war durch seine und meine Vertrautheit mit John Hay unser vertrauter Freund. David hatte eine junge Frau und ein kleines Kind. Die Grays und die Clemens besuchten einander häufig, und das war der einzige Trost, den die Clemens in ihrer Gefangenschaft erfuhren.
    Als wir unsere Geiselhaft nicht länger ertragen konnten, verkaufte Mrs. Clemens das Haus, ich verkaufte meinen Drittelanteil an der Zeitung, und wir zogen nach Hartford. Heute verfüge ich über einen gewissen Geschäftssinn, den ich mir durch harte Erfahrung und unter hohen Kosten erworben habe; aber damals nicht. Ich hatte Mr. Kinney (ich glaube, er hieß Kinney) seinen Anteil an der Zeitung zum ursprünglichen Preis abgekauft – für fünfundzwanzigtausend Dollar. Später fand ich heraus, dass das einzig wirklich Wertvolle, das ich erstanden hatte, das Privileg war, Meldungen der Associated Press zu erhalten. Ich glaube nicht, dass wir dieses Privileg sehr oft in Anspruch nahmen. Ich erinnere mich dunkel, dass die Associated Press uns jeden Abend etwa fünftausend Wörter zum üblichen Preis anbot und wir uns auf fünfhundert einigten. Trotzdem war dieses Privileg fünfzehntausend Dollar wert und hätte mühelos zu diesem Preis veräußert werden können. Ich verkaufte meinen gesamten Anteil an der Zeitung – einschließlich dieses einen Aktivpostens – für fünfzehntausend Dollar. Kinney (falls er so hieß) war über seine Geschäftstüchtigkeit, mir seinen Anteil für fünfundzwanzigtausend verkauft zu

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